Der letzte Sommer ist gar nicht der letzte
Im Herbst 2016 von Dr. Luis Fuchs
„Mein letzter Sommer ist ein voll fesselnder Roman. Ich konnte im Urlaub nicht mehr von ihm lassen“, berichtete uns eine Bekannte. Wir wollten genauer wissen, ob die Autorin darin einfach von irgendeinem Sommer oder von ihrem endgültig letzten erzählt. Tatsächlich bezieht sich die Autorin Cesarina Vighy auf den letzten Sommer ihres Lebens, denn ein Jahr nach Veröffentlichung ihres Erstlingsromans erlag sie einer schweren Nervenkrankheit.
Es gilt zu unterscheiden, ob jemand unter dem „Letzten“ einen definitiven Abschluss versteht oder einfach ein jüngstes, neuestes Ereignis meint. Wenn vom letzten Atemzug oder vom letzten Geleit die Rede geht, wissen wir, dass es keine Wiederholung geben kann. Als der Maler Franz von Defregger im Bild „Das letzte Aufgebot“ eine Szene des Tiroler Freiheitskampfes festhielt, bezog er sich auf den verzweifelten, endgültig letzten Akt der Erhebung.
„Das letzte Mal trafen wir uns wohl vor zehn Jahren“, bemerkte ein Studienkollege, worauf der Angesprochene entgegnete: „Offenbar war es gar nicht das letzte Mal.“ So kann es dem ergehen, der es mit dem „Letzten“ nicht so genau nimmt. Schwärmt derzeit jemand vom letzten Konzert der Meraner Musikwochen, so bezieht er sich wahrscheinlich auf die jüngste Darbietung und nicht auf das Abschlusskonzert.
Die Werbung bedient sich gerne der Superlative, wie auch „das Letzte“ einer davon ist. „Letzte Tankstelle vor der Grenze“: Für diesen Hinweis sind wir auf der Heimfahrt von Österreich manchmal dankbar. Noch raffinierter stellt es der Tankwart an, der auf dem Schild hinweist: „Letzte Tankstelle vor der nächsten.“ Über regen Zuspruch freut sich der Standbetreiber am Felssporn Sao Vicente, dem südwestlichsten Kap an der Algarve-Küste, der mit der Anzeige lockt: „Letzte Bratwurst vor Amerika.“