In Zeiten wie diesen lernen wir allerhand dazu
Im Frühling 2020 von Dr. Luis Fuchs
„Social Distancing“ ist derzeit angesagt. Es wird wohl so sein, dass manche den neuen Begriff nicht verstehen oder gar nicht verstehen wollen. „Räumliche Trennung“ zwischen mehreren Menschen bedeutet der Ausdruck, also einfach „Abstand halten“.
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurde uns sprachlich allerhand zugemutet. „Corona-App als Lösung im Shutdown“, „Was der Lockdown mit mir macht“, lauteten Überschriften in Online-Medien. Würden die Medien neue Begriffe, insbesondere Lehnwörter aus dem Englischen, dem Sinn entsprechend erläutern oder auf verständliche Weise umschreiben, wir wüssten es zu schätzen! Der Zustand, auf den der Shutdown verweist, kann als „Stillstand“ bezeichnet werden. Unter dem Begriff „Lockdown“ können wir uns „Ausgangssperre“ oder „Zuhause bleiben“ vorstellen. Der Muttersprache wird Respekt erwiesen, wenn wir „Homeschooling“ durch „Heimunterricht“ ersetzen.
In Zeiten der persönlichen Einschränkungen versuchen Politiker das Außergewöhnliche als normal darzustellen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz propagierte die „Neue Normalität“; mit dem beschönigenden Ausdruck für Notstand sollten die verunsicherten Bürger beschwichtigt werden. In Italien wurde mit der Lockerung der Notverordnungen die „Phase 2“ gestartet; von Normalität kann auch hier nicht die Rede sein. Normen werden kurzerhand durch neue ersetzt. Man muss sich gewissenhaft am Laufenden halten, um die jeweils aktuelle Eigenerklärung zur Hand zu haben. Eine Rückkehr zu gewohnter Normalität wird wohl länger auf sich warten lassen. Exit-Rufe werden laut, Exit-Pläne und Exit-Strategien werden entworfen. Mit diesem lang ersehnten Exit ist die Beendigung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stillstands gemeint.
Es wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. Wir sollen uns darauf einstellen, legen uns die Zukunftsforscher nahe. „Ich glaube, dass Zukunft nur dann möglich sein wird, wenn wir lernen, auf Dinge, die machbar wären, zu verzichten, weil wir sie nicht brauchen“, gab uns der streitbare Schriftsteller Günter Grass dereinst den Rat. Nicht nur Verlierer, auch Gewinner wird es nach der Corona-Krise geben. Schon das griechische Wort „krisis“ bezeichnet nicht eine hoffnungslose Situation, sondern den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Lage; von da an kann es eigentlich nur noch besser werden.