Mit weniger ist oft mehr gesagt
Im Winter 2017 von Dr. Luis Fuchs
„Sehr geehrter Herr Trump! Wo Sie Ängste schüren, entscheiden wir uns für Mitgefühl. Wo Sie Verzweiflung verbreiten, entscheiden wir uns für Hoffnung. Wo Sie Ignoranz propagieren, entscheiden wir uns für Verständnis.“ Gegen die Hetztiraden Trumps haben Millionen geschockter Bürger auf dem Netzwerk „avaaz“ diese Online-Petition unterzeichnet. In drei Sätzen zu je neun Wörtern ist der Appell klar und deutlich formuliert.
Wie lang darf ein Satz sein, dass die Aussage vom Leser auch unmissverständlich verstanden wird? Die Bildzeitung kommt oft mit fünf Wörtern pro Satz aus, Stilfibeln empfehlen uns als Faustregel höchstens 20 Wörter. Wolf Schneider, der renommierte Stilpapst, hat die Satzlängen unter die Lupe genommen: In deutschen Zeitungen besteht der durchschnittliche Satz aus 16 Wörtern, im Johannes-Evangelium und in den „Buddenbrooks“ aus 17 Wörtern. Durch nicht enden wollenden Wortschwall zeichnen sich Autoren wie Heinrich Kleist oder auch Thomas Bernhard aus. Rekordverdächtig ist ein Satz mit 187 Wörtern, den Schopenhauer im Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ dem Leser zumutet.
Die Verständlichkeit lässt im Amtsdeutsch mitunter zu wünschen übrig; durch verschachtelte Satzgebilde werden Texte auf unübersichtliche Längen gestreckt, Sätze mit 40 Wörtern sind dann keine Seltenheit mehr. Begrüßenswert ist deshalb die Initiative der Nordtiroler Behörden, ihren Bürgern Internetseiten in leicht verständlicher Sprache anzubieten. Menschen, die der deutschen Sprache nicht ganz mächtig sind, sollen damit als Zielgruppen angesprochen werden. Wenig erinnert uns an die gewohnte Behördensprache, wenn wir die Informationen des Landes Tirol beispielsweise zur Energie-Förderung lesen: „Energie ist der Motor unseres Lebens. Energie gibt uns Licht und Wärme. Wir brauchen Energie, damit wir mobil sind. Zum Beispiel mit Zug, Bus oder Auto.“ Die leicht verständlichen Texte sind auf der Homepage mit einem „LL“-Icon für „Leicht Lesen“ gekennzeichnet. Nebensätze kommen in diesen Informationen kaum vor, sie beschränken sich fast ausschließlich auf Hauptsätze und auch diese sind auf äußerste Kürze zugestutzt. Der Wirkung kurzer Hauptsätze als effiziente Stilmittel war sich Goethe durchaus bewusst, als er in der Ballade „Der Sänger“ das Geschehen in Zeitraffermanier komprimierte: „Der König sprach's, der Page lief, der Knabe kam, der König rief: Lasst mir herein den Alten!“
Der fürwitzige Christian Morgenstern, verstorben 1914 in der Villa Helioburg in Untermais, hat uns im Gedicht „Die Brille“ ein nützliches Rezept verschrieben: