Nicht nur Türken können türken
Im Frühling 2017 von Dr. Luis Fuchs
„Man kann nichts italienern oder koreanern, man kann nicht briten oder herumjapanern, aber man kann etwas türken,“ befand nicht ohne Hintersinn die in Berlin erscheinende Tageszeitung „Der Tagesspiegel“. Immer dann, wenn falsche „Tatsachen“ vorgespiegelt werden, was auf der politischen Bühne derzeit an der Tagesordnung ist, wird getürkt oder ein Türke gebaut.
Hat diese Redewendung etwas mit einer Charaktereigenschaft von Türken zu tun? Nein, rein gar nichts. Die Herkunft des Ausdrucks ist nicht eindeutig nachzuweisen. Eine Version nimmt Bezug auf die Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals im Jahre 1895: Alle anwesenden Schiffe wurden mit der zugehörigen Nationalhymne begrüßt; als unerwartet auch ein türkisches Schiff erschien, fehlten der Musikkapelle die Noten, und man intonierte kurz entschlossen „Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin“. Der Bezug auf den Mond, wenn auch den halben, war ja auch nicht fehl am Platz. Eine weitere Version steht im Duden, wonach die Redewendung aus der Soldatensprache stammen könnte, in der früher eine eingedrillte Gefechtsübung gegen einen angenommenen Feind als „Türke“ bezeichnet wurde.
Der Ausdruck „Türken“ tauchte erst im 6. Jh. n. Chr. auf und bedeutet „die Starken“; erst im Jahre 1924 erhob Kemal Pascha Atatürk Türkisch zur Nationalsprache. Türkische Wörter sind gar fester Bestandteil des deutschen Sprachgebrauchs. So hat sich der Döner Kebab, das Grillfleisch vom Drehspieß, geradezu zum deutschen Nationalgericht gemausert. Dem begehrten Joghurt Südtiroler Sennereien steht der originale türkische Ausdruck Pate. Und die rustikale Brotsorte Ciabatta, deren Form uns an den italienischen Hauspantoffel denken lässt, geht ursprünglich auf den türkischen „cabata“, einen persischen Schuh, zurück. Ebenso der Türkis, das blaugrüne Mineral, nach den ersten Fundorten in der Türkei benannt, ist über das französische „turquoise“ in unseren Sprachgebrauch gelangt.
Wenn wir Polenta essen, vielleicht als Beilage zum Gulasch, ist uns wohl auch noch nie in den Sinn gekommen, dass sie etwas mit der Türkei zu tun habe. Den Mais, das Korn der Armen, wie er auch genannt wurde, haben wir dem Entdecker Kolumbus zu verdanken, denn die Frucht kam ursprünglich aus Amerika. Bereits 1520 wurde in Andalusien der Mais mit Erfolg angebaut. Von Spanien gelangte er nach Sizilien und wanderte dann rasch nordwärts, von der irrigen Meinung begleitet, die neue Frucht sei von den Türken hierher gebracht worden. Bereits 1573 taucht der „türkische Weizen“ in den Rechnungsbüchern von Salurn auf. Dieser granoturco erlebte im Etschtal immer stärkere Verbreitung, was die Kirche dann veranlasste, den Maiszehent einzuführen. Gegen derartige Neuerungen setzten sich die Bauern von Obermais zur Wehr; der Volkskundler Hans Fink berichtet von einem darauffolgenden Rechtsstreit, der von 1660 bis 1720 ausgetragen wurde und in einem mageren Ausgleich endete.