Die Blaue Passionsblume
Passiflora caerulea L.
Im Winter 2016 von Dr. Wilhelm Mair
Die Blaue Passionsblume hat zwar im Winter ihre Ruhepause (manche blühen an milden Standorten bis in den Spätherbst!), wegen der geheimnisvollen, wunderschönen Blüten wollen wir sie trotzdem jetzt beschreiben.
Die Heimat dieser Zierpflanze liegt im subtropischen und tropischen Mittel- und Südamerika. Die Ureinwohner dieser Ländereien kultivierten den Kletterstrauch zur Gewinnung von Obst und als Heilpflanze. Zu Beginn des 17. Jhs. wurde die Pflanze von spanischen Seefahrern nach Europa gebracht, wo sie wegen der auffallenden Blüten große Bewunderung erregte. Nach christlicher Deutung symbolisieren alle Teile der Pflanze und vor allem die Blüte die Leidenswerkzeuge Christi: Die drei Narben stellen die Nägel bei der Kreuzigung dar, der fransige Strahlenkranz die Dornenkrone, die fünf Staubblätter die Wundmale, der gestielte Fruchtknoten die Martersäule, die Ranken stehen für die Geißeln und die Blätter für die Lanzenspitzen. Die je fünf Kelch- und Blütenblätter deuten auf zehn Apostel hin (ohne Judas und Petrus). Der botanische und der deutsche Name der Pflanze nehmen Bezug auf diese Auslegung.
Die Passionsblumen gehören mit über 500 Arten zur Familie der Passionsblumengewächse (Passifloraceae). Trotz der großen Vielfalt haben nur wenige Arten als Zierpflanzen Bedeutung, vor allem wegen der eingeschränkten Winterhärte. Die Blaue Passionsblume gedeiht im milden Klima Südeuropas gut und ist dort auch verwildert anzutreffen; bei uns ist sie an geschützten Stellen winterhart. Sie wird in mehreren Hybriden als pflegeleichte Zimmerpflanze gezogen. Weitere interessante Vertreter dieser Gattung sind die Fleischfarbene Passionsblume (P. incarnata), deren Blätter als Heilpflanze bei Nervosität und Schlaflosigkeit beruhigend und angstlösend wirken, die als „Maracuja“ bekannte Passiflora edulis sowie die Granadilla (P. ligularis), die beide als Obstpflanzen kultiviert werden.
Die Blaue Passionsblume ist eine ausdauernde, immergrüne Kletterpflanze. Die gestielten, dunkelgrünen Blätter sind drei- bis fünffach gefingert. Aus den Blattachseln entspringen korkenzieherähnliche Ranken, mit denen sie an Gerüsten mehrere Meter hoch klettert. Besonders auffallend sind die bis 10 cm großen, kurzlebigen, bonbonartig duftenden Blüten, die in den ursprünglichen Formen überreich von Mai bis Juli erscheinen, in gezüchteten Formen bis zum Spätherbst. Den weißen Deckblättern liegt ein Kranz aus fransenförmigen, blauvioletten Blütenblättern auf (Nebenkrone). In der Mitte der Blüte liegen die Fortpflanzungsorgane: fünf fertile Staubgefäße und drei purpurfarbene Griffel. Aus dem gestielten Fruchtknoten entwickelt sich eine hühnereigroße, gelb-orange gefärbte, ungenießbare Beere.