Rizinus, der Wunderbaum
Ricinus communis L.
Im Winter 2020 von Dr. Wilhelm Mair
Der Rizinus wurde schon vor 6.000 Jahren von den Ägyptern als Heil- und Nutzpflanze kultiviert. Das aus den Samen gewonnene Öl wurde als Abführmittel und für kosmetische Zwecke sowie als Brennöl verwendet. Heute dient es vorwiegend als Rohstoff in der Kosmetik- und Kunststoffindustrie sowie als Spezialschmiermittel.
Ricinus communis ist die einzige Art der Gattung Ricinus in der formenreichen Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae). Von der Art gibt es ein Dutzend Varietäten – meist für die kommerzielle Ölproduktion –, die sich in der Stärke der Bereifung der Sprosse und der Farbe der Blätter, in der Form, Größe und Bestachelung der Früchte sowie in der Form, Größe und Farbe der Samen unterscheiden. Der botanische Name kann vom lateinischen Wort ricinus = Zecke abgeleitet werden, weil die Form der Samen an vollgesaugte Zecken denken lässt.
Der Rizinus ist vermutlich im tropischen Afrika und Vorderasien beheimatet. In diesen Gebieten erreicht die normalerweise als Strauch wachsende Pflanze auch Baumhöhe. Sie wächst schnell, deshalb wird sie auch Wunderbaum genannt. In warmen Ländern wie z.B. im Mittelmeergebiet ist sie bereits heimisch und besiedelt dort Schuttplätze und trockene Wegränder. In Europa wird sie als einjährige, krautige Zierpflanze kultiviert und erreicht eine Höhe von etwa 1 m. Die langgestielten, glänzenden Blätter sind handförmig gelappt mit 5 bis 12 Lappen; je nach Sorte sind sie grün bis rot oder kupferfarben. Die einhäusigen, getrenntgeschlechtigen Blüten, die sich vom Hochsommer bis zum Herbst öffnen, stehen auf rispigen Blütenständen an den Zweigenden, die oberen weiblichen Blüten mit auffallenden roten Narben, die unteren männlichen Blüten mit gelben, bäumchenartig verzweigten Staubblättern. In dreifächerigen Kapselfrüchten liegen die bohnenförmigen, rötlichbraun marmorierten Samen, die sogenannten Castorbohnen. Das aus den Samen gewonnene Öl ist eine dickflüssige, durchsichtige bis hellgelbliche, nicht giftige Flüssigkeit, während die Samenschalen bzw. der Pressrückstand der Samen das hochgiftige Ricin enthalten, eine Eiweißverbindung, die bereits in geringsten Mengen für Menschen und Tiere tödlich ist. Deshalb ist Vorsicht geboten, damit Kinder nicht in Kontakt mit Samen kommen.