Die fünfte Jahreszeit
Im Winter 2013 von Dr. Johannes Ortner
Nun beginnt sie also wieder, die närrische Zeit mit ihrem ausgelassenen Treiben, mit Konfettiregen und bunten Maskeraden.
Viele Erklärungen werden für das widersinnige Treiben herangezogen: soziologische, da im Fasching eine Umkehr der “herrschenden” Verhältnisse erlaubt war. Die Rolle von Herr und Sklave wurde bereits in Mesopotamien und bei den römischen Saturnalien vertauscht; politische, da beim Karneval Kritik und die straffreie Verhöhnung der Mächtigen duch die Narren (z. B. beim Umzug in Viareggio) möglich ist. Eine psychologische Erklärung besteht darin, dass man und frau im Karneval eines der wenigen Ventile fand, einmal richtig „die Sau rauslassen“ zu dürfen, indem man erotisch freizügiger als sonst agieren konnte und sich dem einen und anderen Rausch ergeben durfte.
Eng verknüpft ist der Fasching mit dem Katholizismus: Im Mittelalter wurden am Epiphanie-Tag und in der Folge unsinnige Narrenmessen unter Vorsitz eines Narrenpapstes gelesen, um dem Volk die Maßlosigkeit des Teufels mit seinem gotteslästerlichen Gebaren zu zeigen und damit indirekt auf den keuschen Weg der Fastenzeit zu weisen. In protestantischen Gegenden haben sich Fasnachtstraditionen hingegen kaum gehalten.
Im stilvollen Karneval in Venedig steht die Anonymität der Maske und die Verkleidung aus der Commedia dell' Arte im Mittelpunkt, ganz im Gegensatz zur frivolen Ausgelassenheit im Karneval von Rio. In der „rauschenden“ Fasnacht im Rheinland (Köln, Mainz) und im alemannisch-schwäbischen Gebiet (Basel, Luzern) kommen Humor und Ausgelassenheit eben auch nicht zu kurz.
Was bedeutet aber das Wort Fasching? Der Begriff kommt vom Mittelhochdeutschen vaschanc, d. h. so viel wie „Fastschank“ und bezeichnet den letzten Ausschank alkoholischer Getränke vor der Fastenzeit. Der Begriff Fasnacht wird zurecht mit der „Nacht vor dem Fasttag“ (dem Aschermittwoch) in Verbindung gebracht und kommt vom mittelhochdeutschen fasanaht, einem Wort, das auf die indogermanische Verbform *pwos- „reinigen, läutern“ zurückgeht. Im nördlichen Rheinland ist der Begriff Fastelowend (Fastelabend) gebräuchlich. Der Begriff Karneval leitet sich aus dem lateinischen carne levare > carnelevale "Fleisch entziehen", übrigens gleich bedeutend wie das griechische apókries („weg vom Fleisch“), alles Hinweise auf das Fleischfasten während der österlichen Fastenzeit. Da muss man sich zuvor schon mit deftigen Faschingsspeisen aus Schmalz und Eiern stärken, für die der Ausdruck Mardi gras („fetter Dienstag“, der Name des Faschingsdienstages in New Orleans) steht. Der Unsinnige Donnerstag heißt im Rheinland auch Schmotziger („fetter“) Donnerstag oder eben Weiberfasnacht oder Altweiberdonnerstag. Das Abschneiden der Krawatte – eine Art Entmannung – bedeutet die Übernahme der Frauenherrschaft.