Sozialpädagogische Grundbetreuung
Nimmt man mir jetzt meine Kinder?
Renate hat soeben begonnen das Abendessen zu kochen, als ihr Mann Martin zur Tür hereinkommt. Schon bald bemerkt er, dass seine Frau etwas beschäftigt und behält mit seiner Einschätzung Recht. Renate erzählt, dass sie heute bei ihrer Schwester Monika zu Besuch war. In letzter Zeit mehrten sich ihre Besuche…
„Geht es ihr denn etwas besser?“ fragt Martin, obwohl die Antwort im Vorhinein schon klar ist. „Nein, gar nicht! Heute war es noch schlimmer. Während ich den Riesen Berg an Abwasch gemacht habe, hat sie am Küchentisch gesessen, kein Wort gesagt und nur zum Fenster hinausgeschaut. Was mir noch weniger gefällt: Jonas und Sebastian haben nur TV geguckt. Als ich Monika fragte, ob die zwei denn schon alle Hausaufgaben gemacht haben, zuckte sie mit den Achseln. Ungewaschene Wäsche, Kartoffelchips und Süßigkeiten lagen in der ganzen Wohnung verstreut. Sie macht gar nichts mehr, weder mit den Kindern noch selbst. Sie geht nie ins Freie. Im Haushalt bleibt sowieso alles liegen - wie soll das weitergehen? Ich weiß nicht weiter. Ich kann neben der Arbeit und hier nicht noch öfter nach dem Rechten schauen.“ Es folgt eine lange Pause, dann sagt Renate: „Jetzt denke ich darüber nach, vielleicht zum Sozialsprengel zu gehen. Was meinst du?“ Martin hält seine Meinung nicht hinter dem Berg: „Ja sag mal, willst du, dass man ihr jetzt auch noch die Kinder wegnimmt? Es reicht, dass ihr Ehemann sie verlassen hat.“ Einige Tage später trifft Renate zufällig die Lehrerin von Sebastian. Nach dieser Begegnung wendet sich Renate an den Sozialsprengel.
Sozialassistentin Christine Prenner kennt viele ähnliche Fälle. Sie ist im Sozialsprengel Meran für die Sozialpädagogische Grundbetreuung - Bereich Minderjährige und Familien zuständig. Zusammen mit anderen Sozialassistenten, Erziehern und einer Pädagogin verfolgt sie den Grundsatz, Kinder zu schützen und Familien in schwierigen Situationen zu stärken: Kinder sollen in der eigenen Familie eine harmonische Entwicklung erfahren und dort aufwachsen. Mit dem Vorurteil, dass der Sozialdienst Familien ihre Kinder wegnimmt, räumt sie auf: „Im Jahr 2013 haben wir 543 Kinder betreut, davon wurden 30 in Sozialpädagogische Wohngemeinschaften untergebracht und 3 Kinder vollzeitig Pflegefamilien außerhalb der Verwandtschaft anvertraut. Das ist ein minimaler Teil und erfolgte nur, weil es nicht anders möglich war. Die Situation jener Kinder war prekär. Hier sprechen die Zahlen wirklich für sich.“
Erklärtes Ziel ist es, so Christine Prenner, zusammen mit der Familie Schwierigkeiten aufzuarbeiten. Ähnlich wie ein Arzt, stellt sie eine Art Sozialdiagnose, um daraufhin mit geeigneten Maßnahmen die Stabilität der Kinder und der Familie wieder zu erreichen.
Zu den häufigsten Gründen für eine Fallübernahme zählen familiäre Probleme, Beziehungs- und Betreuungsprobleme, finanzielle Probleme, Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern. Die Probleme sind vielfältig und betreffen alle Familienkonstellationen.
Um den kostenlosen Dienst können Eltern anfragen. Häufig treten auch Verwandte, Freunde, Nachbarn und Lehrpersonen oder andere Dienste an den Sozialdienst heran. Ferner erteilt das Jugendgericht in bestimmten Fällen einen Auftrag, in diesem Zwangskontext muss der Sozialsprengel handeln. Der Sozialdienst verfolgt immer das Ziel, dass das Kind in der eigenen Familie verbleiben kann. Andere Formen der Begleitung und andere Maßnahmen werden nach Möglichkeit zuvor ausgeschöpft, bevor ein Kind aus der Familie genommen wird. Genau definiert sind aber Risikofälle, die der Jugendgerichtsbarkeit gemeldet werden müssen, dann erhält der Sozialdienst den Auftrag, sich ein Bild zu machen. Zu gravierenden Fällen zählen Kindesmissbrauch, Gewalt an Kindern und grobe Vernachlässigung.
Im Fall von Monikas Familie hat sich nach einigen Monaten viel getan, sodass die Begleitung durch den Sozialsprengel abgeschlossen werden konnte. In Einverständnis mit beiden Elternteilen wurden Gespräche geführt und ein Hausbesuch getätigt. Mit dem Vater wurde ein Besuchsplan ausgearbeitet und er kümmert sich nun wieder verstärkt um seine beiden Kinder. Damit wurde Monika bereits entlastet. Schließlich wurde sie von ihrer Schwester und der Sozialassistentin ermuntert, aufgrund ihres permanent niedergeschlagenen Gemütszustandes eine psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Für den älteren Sohn Sebastian wurde eine Nachmittagsbetreuung organisiert, um seine schulischen Schwierigkeiten in den Griff zu kriegen.