Zwischen Erdrutschsiegen und herben Niederlagen: Kommunalwahlen in Italien
Im Herbst 2021 von Philipp Rossi
Nicht nur in Meran, sondern auch in mehreren italienischen Großstädten – darunter Rom, Mailand und Neapel – fanden kürzlich Gemeindewahlen statt. Da es sich um den ersten Wahltermin nach der zweiten Corona-Welle sowie nach der Bildung der Regierung unter Mario Draghi handelt, gilt das Ergebnis für die Parteien als wichtiger Stimmungstest. Fast überall traten eine Mitte-Rechts- und eine Mitte-Links-Koalition gegeneinander an, die Fünf-Sterne-Bewegung schloss sich mancherorts dem Mitte-Links-Bündnis an, in den meisten Gemeinden trat sie jedoch allein zur Wahl an.
In Rom stellte sich die amtierende Bürgermeisterin Virginia Raggi (5-Sterne-Bewegung) der Wiederwahl – und erlitt eine schmerzliche Niederlage. Hatte Raggi vor fünf Jahren bei der Stichwahl noch mit über 67 % der Stimmen triumphiert, musste sie sich diesmal mit schwachen 19 % Zustimmung und dem vierten Platz zufriedengeben. Als Raggi Bürgermeisterin wurde, versprach sie, nach den von Skandalen und Freunderlwirtschaft gebeutelten Vorgängerregierungen ein neues politisches Kapitel in der ewigen Stadt aufzuschlagen. Geprägt war ihre Amtszeit aber vielmehr von vielen kleinen Patzern und politischer Instabilität. Gleichzeitig befindet sich Italiens Hauptstadt in einer schwierigen Lage: Öffentliche Dienstleistungen – allen voran den städtischen ÖPNV und den Abfalldienst – nehmen die Bürger als ineffizient und unzufriedenstellend wahr, und das leidige Problem der Straßenlöcher bekommt die Stadtverwaltung auch nicht in den Griff. Folglich haben sich die Wähler nach anderen Angeboten umgesehen. Und so ringen bei der Stichwahl der Mitte-Rechts-Kandidat Enrico Michetti, Verwaltungsjurist und bekannter
Radiomoderator, und Mitte-Links-Kandidat Roberto Gualtieri, vormals Finanzminister im Kabinett Conte II, um das höchste Amt in Rom. Königsmacher ist bei diesem Duell der auf dem dritten Platz gelandete wirtschaftsliberale Außenseiter Carlo Calenda.
Ganz anders sieht die Lage in Mailand aus. Die zweitgrößte Stadt Italiens erlebt seit nun mehreren Jahren einen wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung, den auch die Pandemie nicht aufhalten konnte: Die Weltausstellung Expo 2015 und zuletzt die erfolgreiche Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2026 zeugen davon. Von diesem Erfolg scheint auch der amtierende Bürgermeister Beppe Sala (Mitte-Links) zu profitieren, der mit fast 58 % der Stimmen bereits im ersten Wahlgang sein Amt verteidigt hat. Mitte-Rechts-Herausforderer Luca Bernardo musste sich hingegen geschlagen geben, seine Niederlage ist zum Teil auch einer zersplitterten Koalition geschuldet. Die ohnehin schon schwache Fünf-Sterne-Bewegung ist in der lombardischen Hauptstadt de facto von der politischen Bildfläche verschwunden.
In Turin zeichnet sich eine Stichwahl zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Links ab. Beide Bürgermeisterkandidaten stammen aus dem gemäßigten Lager und stehen im Grunde für eine eher bürgerliche Politik. Die scheidende Amtsinhaberin Chiara Appendino (Fünf-Sterne-Bewegung) stellte sich nicht der Wiederwahl, ihre Partei ist auch in der Hauptstadt Piemonts in der politischen Bedeutungslosigkeit versunken. In Bologna konnte der Partito Democratico seine traditionelle Hochburg ohne Schwierigkeiten verteidigen, in Neapel ist mit dem ehemaligen Universitätsminister Gaetano Manfredi ebenfalls ein Mitte-Links-Kandidat als Sieger hervorgegangen.
Insgesamt hat das Mitte-Links-Lager bei diesem Wahlgang überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Die Beteiligung an der Regierung Draghi scheint sich zumindest für den Partito Democratico auch wahlmäßig zu lohnen. Etwas anders sieht die Wirklichkeit rechts der Mitte aus: Die Koalition um Lega, Fratelli d’Italia und Forza Italia konnte sich zwar in mehreren Hochburgen behaupten – darunter Triest und der Region Kalabrien, in der ebenfalls gewählt wurde – blieb aber staatsweit unter den Erwartungen. Als wenig förderlich erwiesen sich sowohl die inhaltlichen und persönlichen Differenzen innerhalb der Koalition, allen voran die Frage nach dem „Green Pass“ sowie nach der politischen Führung des Bündnisses, als auch die unterschiedliche Positionierung gegenüber der Regierung Draghi: Dass zwei von drei Parteien Teil der Mehrheit sind und eine in der Opposition sitzt, stößt wohl bei so manchem Wähler auf Unverständnis.