Mit Kafka durch Meran
Im Frühling 2020 von Veronika Rieder
Einführung
Von April bis Juni 1920 hielt sich Franz Kafka in Meran auf – damals ein wenig bekannter Schriftsteller, heute ein Autor von Weltruhm. Hundert Jahre später wollten der Journalist Patrick Rina und ich Kafkas Kur zum Anlass für ein Kafka-Jahr nehmen. Unter der Trägerschaft der Urania, von der Stadtgemeinde tatkräftig unterstützt, gelang es uns, eine beindruckende Veranstaltungsreihe zu organisieren, an der sich viele kulturelle Einrichtungen Merans sowie alle Oberschulen beteiligten. Der „Meraner Stadtanzeiger” hätte uns dabei begleitet. Nach einem hoffnungsvollen Anfang mit den Vitrinen in der Bahnhofsunterführung, wo Kafka-Zitate in Form von SMS zu lesen sind, sowie mit der Aufführung des „Prozess” durch das Altstadttheater machte uns Covid-19 einen dicken Strich durch die Planung. Wir versuchen nun, Angebote auf den Herbst zu verschieben.
Um aber den Frühling nicht ganz ohne Kafka verbringen zu müssen, lade ich Sie ein, mit mir in den folgenden Wochen durch Meran zu spazieren und einige Orte aufzusuchen, wo sich Kafka sicher oder vermutlich aufgehalten hat. Kommen Sie mit!
Bahnhof
Nachdem 1867 die Brennerbahn eröffnet worden war, wollte man den aufstrebenden Kurort Meran durch eine Stichbahn anbinden. Zuvor mussten Finanzierung, Trassenführung und die Frage nach dem Standort des Endbahnhofs geklärt werden.
Am 04.10.1881 erfolgte die feierliche Eröffnung. 1905 wurde der Bahnhof vom heutigen Mazziniplatz wegen der Anbindung an die Vinschger-Bahn westwärts verlegt. Der österreichische Eisenbahningenieur Konstantin
Ritter von Chabert plante und errichtete das Bahnhofsgebäude im Jugendstil: Eingangshalle mit verglasten Rundbögen, anschließend Verbindungstrakte mit Restaurants und Warteräumen sowie je einem zweigeschossigen Pavillon für Wohnungen, Küche und Büroräume. Das Kuratorium für technische Kulturgüter bezeichnet den Meraner Bahnhof als einen „der architektonischen Höhepunkte der historischen Bahnhöfe in Südtirol.“ Er bilde mit anderen bedeutenden Bauwerken wie „Palace“, „Emma“ oder dem Kurhaus „ein Ensemble von einmaliger Atmosphäre, die einen der großen Reize Merans ausmachen...“
Als Kafka mit einem Einreisevisum von Prag aus über Innsbruck am 03.04.1920 ankam, durchquerte er den überdachten Bahnsteig, welcher der Wandelhalle ähnelt, und die Halle. Vermutlich vertraute er sein Gepäck einem Lohndiener an. Ob er etwas von der Einweihung des Andreas-Hofer-Denkmals sah, die ebenfalls am 03.04. stattfand? Am 06.04. berichtete er seiner Schwester Ottla: „Die Reise war sehr einfach... Die Francs habe ich nicht gebraucht, es werden offenbar, wenn sich die Reisenden an ein bestimmtes System gewöhnt haben, sofort neue Systeme eingeführt, die weitere Karte war in österr. Kronen zu zahlen;... Die Lire waren in Innsbruck ganz leicht zu wechseln.“