Kolping in der heutigen Zeit
Otto von Dellemann ist der langjährige Zentralsekretär des Kolpingwerkes Südtirol, derzeit Vorsitzender des Kolpinghauses Meran und langjähriges Mitglied im Generalpräsidium des Internationalen Kolpingwerkes.
Wofür steht Kolping in der heutigen Zeit?
O. v. Dellemann: Selbstverständlich hat Kolping sich im Laufe der 170-jährigen Geschichte verschiedene Aufgaben und Prioritäten gesetzt. Immer nach dem Ausspruch Adolph Kolpings selbst „Die Nöte der Zeit werden Euch lehren, was zu tun ist“. Was ist heute Not der Zeit? Eine Not der Zeit ist es, dass viele Menschen individuell agieren, einsam sind und eine Gemeinschaft brauchen. Gerade in dieser Hinsicht soll Kolping für Gemeinschaft stehen. Gemeinschaft: Unterstützung, um sich zu öffnen, diese mitaufzunehmen in eine größere Gemeinschaft, unter anderem in die Internationale Kolpingsfamilie. Weiters steht Kolping für die Unterstützung im Bildungsbereich.
Wenn Sie Bilanz Ihrer langjährigen Tätigkeiten ziehen, haben Sie dann erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?
O. v. Dellemann: Ob ich alles erreicht habe, was ich mir vorgenommen habe, kann ich nicht bejahen. Als Zentralsekretär von Kolping Südtirol ist es mir gelungen, die in Südtirol bestehenden fünf Kolpinghäuser auf eine juristische Basis zu stellen und in die Selbstständigkeit zu führen. Vier Häuser sind bereits erneuert worden, das in Bruneck steht kurz davor. Neue Mitglieder zu bewerben war mir stets ein großes Anliegen und teilweise ist es mir auch gelungen, denn es gab eine stetige, wenn auch nicht große Zunahme an Mitgliedern. Was die Jugend betrifft, ist dies jedoch eine komplexe und schwierige Aufgabe. Die konkrete Zusammenführung der 15 Kolpingsfamilien im Land Südtirol war mir ebenso ein wichtiges Anliegen.
Welchen Problemen müssen sich die Engagierten in den Trägervereinen der Kolpinghäuser gegenwärtig besonders stellen?
O. v. Dellemann: Zwei Problematiken kann ich aufzeigen. Einerseits ist grundsätzlich zu schauen, dass die soziale Schiene in den Kolpinghäusern nicht ins Hintertreffen gerät, dass man diese weiterhin ausbaut und fördert. Andererseits wird durch die Coronakrise nun auch die wirtschaftliche Seite in Mitleidenschaft gezogen.
Wir müssen wirtschaftlich arbeiten und agieren und dabei darf das Soziale nicht in den Hintergrund geraten. Dies ist ein Balanceakt aller, besonders des Geschäftsführers. In Meran ist es wichtig, dass man den Kolping-Mitgliedern eine Heimstätte bietet, wo sie sich eingebunden fühlen. Dies ist ganz wesentlich! Zudem ist es auch wichtig, für „Nichtmitglieder“ einen Treffpunkt zu schaffen, um eine Gemeinschaft zu erleben, wie z.B. beim Kartenspielen. Wir setzen uns zusätzlich für Kinder und Jugendliche ein, welche in Meran studieren. So bieten wir 180 Heimplätze an, sowohl im Haus, als auch in Maria Ward, und in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Meran einen Mittagstisch für Grund- und Mittelschüler. Außerdem führen wir im Auftrag des Landes das Schülerinnenheim Maria Ward. Wichtig ist es für uns, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben und den jungen Menschen eine lebendige und frohe Gemeinschaft zu ermöglichen.
Wohin führt der Weg in die Zukunft für Kolping Meran?
O. v. Dellemann: Nöte der Zeit erkennen, um zu sehen, was zu tun ist: sich als Gemeinschaft zu engagieren! Die Kolpingmitglieder müssen im Haus ihren Platz finden. Andererseits darf man nicht vergessen, dass der wirtschaftliche Aspekt nicht aus den Augen gelassen werden darf. Ausgaben bzw. Investitionen können nur durch Einnahmen ausgeglichen werden. Hierfür müssen Voraussetzungen und Strukturen vorhanden sein. So stellt sich die Frage, wo finanzielle Ressourcen gegeben sind und zu Veränderungen führen, damit diese vom Erfolg gekrönt sind. Dazu braucht es die Anstrengung aller. Demnächst werden wir uns mit einigen Projekten auseinandersetzen und zwar mit dem Aufbau eines Arbeiterwohnheims sowie mit einer qualitativen und quantitativen Erweiterung des Hauses/Hotels. Die Zukunft wird uns zeigen, dass wir dazu immer wieder neue Ideen benötigen werden. Wir müssen Menschen einbinden, um die Nöte der Zeit zu erkennen, um anschließend zielgerichtet zu agieren.