“Menschen lernen am besten von anderen Menschen und benötigen dazu noch eine individuelle Lernbetreuung.”
Im Winter 2019 von Eva Pföstl
Meraner Stadtanzeiger (MS): Wie lange ist es her, dass Sie persönlich einen Weiterbildungskurs besucht haben?
Nicht allzu lange. Ich bin ja von Berufs wegen bei vielen eigenen Veranstaltungen dabei und da ich für den Programmbereich Kultur und Gesellschaft zuständig bin, sind das meistens auch Themen, die mich persönlich interessieren, z.B. am 22. Februar das quer.denken-Gespräch mit dem EU-Parlamentarier Martin Häusling über die EU-Landwirtschaftspolitik. Letztes Jahr habe ich aber auch eine Reihe von beruflichen Fortbildungen absolviert, wie die Ausbildung zur ISO-Auditorin oder zur Brandschutzbeauftragten, Grafisches Gestalten mit Gimp oder Indesign, einen Typo3-Kurs, Marketingseminare etc.
MS: Wie wird man Direktorin der Urania Meran?
Ich wurde vom Präsidenten Paul Rösch 1998 direkt aus Wien, wo ich von 1992-1996 im Umweltbildungsbereich tätig war, „heimgeholt“. Wir kannten uns bereits von meiner Zeit beim Kulturverein Brixen und ich folgte dem Ruf sehr gerne und sofort, weil die Urania schon damals für mich eine vorbildhafte Weiterbildungsorganisation war.
Nach dem Studium der Geschichte und Germanistik hatte ich eine Kulturmanagement-Ausbildung an der Musikhochschule in Wien absolviert. Eine eigenständige, kreative, organisatorische Arbeit im Kulturbereich interessierte mich sehr. Ein längeres Praktikum im Konzerthaus in Wien und anderen Hochkulturinstitutionen machten mir aber klar, dass ich mehr wollte. Mein idealistisches Ziel war es (und ist es), Kultur und Bildung für alle zu organisieren und nicht nur eine kleine elitäre Schicht zu bespaßen.
MS: Die Anforderungen an die Weiterbildung verändern sich ständig. Was heißt das für die Urania Meran? Wie hat sich die Erwartung der Kursbesucher verändert?
Der Anspruch ist zweifelsohne gestiegen, als Weiterbildungsorganisation müssen wir heute mehr bieten als einen Raum und eine/n Referentin/en. Informationsbeschaffung erfolgt heute vielfach über das Internet mit seinen Online-Kursen, youtube-tutorials und Apps. Wir als Weiterbildungsorganisationen sind dennoch wichtig, weil wir Menschen in persönlichen Kontakt zueinander bringen. Menschen lernen am besten von anderen Menschen und benötigen dazu noch eine individuelle Lernbetreuung. Unsere professionellen Kursleiter/-innen gehen auf diese speziellen Bedürfnisse ein.
MS: Muss man heute die Meraner und Meranerinnen noch zu Weiterbildung motivieren?
Viele unsere Kursteilnehmer sind Stammkunden, sie besuchen regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen und die meisten kommen natürlich aus Meran. Die Meraner sind nicht weniger bildungsbegeistert oder bildungsfern als andere Südtiroler. Statistisch gesehen erreicht die Weiterbildung ca. 50-60 % der Bevölkerung. Leider konsumieren hauptsächlich bereits gebildete Menschen Kultur und Weiterbildung.
MS: Sind die Hauptkunden Frauen? Unternimmt die Urania besondere Anstrengungen, um Männer als Zielgruppe stärker anzusprechen?
Die Frauen machen rund 60-65 % unserer Teilnehmenden aus, der Männeranteil ist in den letzten Jahren etwas angestiegen, was wir sehr begrüßen. Dies gelingt vor allem mit Veranstaltungen im gesellschaftspolitischen Bereich, aber auch mit beruflicher Weiterbildung und Sprachkursen. Gesundheit und Kreativität sind dagegen stark weibliche Bereiche. Bevor ein Mann einen Pilates- oder Yogakurs besucht, muss er schon einen gewissen Leidensdruck verspüren.
MS: Gelingt es Ihnen auch, Migrantinnen und Migranten anzusprechen?
Wir versuchen hier seit vielen Jahren, aktiv auf den demografischen Wandel zu reagieren, zunächst mit Kulturbegegnungsprojekten wie den Ausstellungen und Büchern zu den „neuen Meranern“. Seit drei Jahren bieten wir im Rahmen des Interkulturellen Cafès verschiedene Kursangebote für unsere neuen Mitbürger/-innen an. Das Angebot reicht dabei vom Sprachencafè bis hin zu Computer- und Schwimmkursen. Unsere Hauptzielgruppe sind hier ausländische Frauen, da sich diese schwerer mit dem Sprachenerlernen und der Integration generell tun, weil sie weniger Kontakte und Möglichkeiten als Männer haben.
MS: Ist der soziale Kontakt heute für die Kursbesucher noch wichtig oder geht es um das möglichst effiziente Schließen von Bildungslücken?
Das ist je nach Kursangebot sehr unterschiedlich. Vielfach geht es um Kompetenzen und Fachwissen, das erworben werden will, zum anderen suchen Menschen auch nach sozialen und unkomplizierten Begegnungsmöglichkeiten und haben Spaß daran, gemeinsam zu lernen. Viele Vormittagssprachkurse bestehen z.B. schon seit über 10 Jahren und natürlich verbessern die Kursteilnehmer/-innen laufend ihre Sprachkenntnisse, aber sie feiern auch ihre Geburtstage oder gehen im Anschluss gerne auf einen Kaffee.
MS: Apropos Bildungslücken: Gibt es Wissensgebiete, in denen es den Menschen heute schwerer fällt, Lücken einzugestehen, als vor zehn Jahren?
Ja, das ist definitiv so. Unsere langjährige EDV-Fachbereichsleiterin Tatjana Finger sagt beispielsweise, dass die EDV-Anwenderkenntnisse vor ca. 15-20 Jahren besser waren als heute. Damals war noch ein Anspruch da, einzelne Programme im Detail zu beherrschen und dafür investierte man noch Zeit und Geld. Heute müssen Kursformate kurz und kompakt sein, es fehlt die Zeit, Inhalte zu vertiefen.