Meraner Frauen von gestern und heute
Frauen im Badefieber
Im Sommer 2022 von Sarah Trevisiol
Schwimmen war für Frauen lange Zeit nicht wirklich möglich. Geschweige denn wie es heute abläuft: in luftiger Bademode und in gemischten Schwimmanlagen. Zwar weisen mehrere Hinweise darauf, dass Frauen in der Antike bikini-artige Kostüme trugen und Zutritt zu öffentlichen Bädern hatten, dennoch veränderte sich das Blatt rapide mit Beginn der Renaissance (1400-1600), als unheilbare Geschlechtserkrankungen nach Europa kamen und alle Badehäuser geschlossen wurden. Im Barock (1600-1720) galt das Baden sogar als gefährlich und krankheitsfördernd und wurde deshalb buchstäblich verboten. Die Kleidung wurde gereinigt, der Körper sollte hingegen vom Baden so gut wie möglich verschont bleiben. Es galt als äußerst schick, sich nur zu pudern anstatt zu waschen. Mit der Aufklärung (1720-1785) wurde das Waschen nach und nach wieder akzeptiert und im 19. Jahrhundert kam es endlich zur Wiedereröffnung von öffentlichen Waschanstalten.
Öffentliche Schwimmbäder entstanden meist neben Flüssen, so auch das Turner Schwimmbad in Meran, welches 1887 eröffnet wurde und 1931 vom Meraner Lido ersetzt wurde. „Das eiskalte Wasser der Bäche machte das Vergnügen oft zu einer eiskalten Angelegenheit“, schreibt Paul Rösch in seinem Buch Meraner Badegeschichten, „deshalb gab es meist ein Vorbecken mit leicht temperiertem Wasser (sogenannte Vorwärmer, die eine Temperatur von maximal 14 Grad hatten)“.
In den Anfangszeiten gab es im Meraner Lido auch Bademeisterinnen, meist italienischsprachige Frauen, die sowohl fürs Saubermachen der Kabinen zuständig waren als auch jeglichen Unsittlichkeiten in den Kabinen vorgebeugt haben. In den katholischen Reihen wurde das Aufeinandertreffen von Männern und Frauen in Badebekleidung nämlich als große Gefahr empfunden und die Kirche verdammte das Schwimmen als unmoralisch. Ab 1931 wurde sogar ein Polizist eingestellt, der für die Moral im Lido zuständig war, so z.B. sollte er die Verschließung der Löcher an den Wänden der Kabinen veranlassen und die richtige Stoffmenge der Badebekleidung genauestens abmessen. In dieser Zeit entwickelte sich immer mehr der Drang zum Sonnenbaden und somit auch der Wunsch, mehr Haut zu zeigen. Lange Zeit wäre das unvorstellbar gewesen: Blässe galt nämlich lange als attraktiv und weibliche Badeanzüge (aus dem 19.Jh.) bestanden aus Hosen, Badestrümpfen, Badeschuhen, Korsett, Tunika, Badehaube und Hut. Einteilige Trikotanzüge wurden von Frauen und Männern erst ab den 1920er-Jahren getragen, jedoch bestanden sie aus Baumwolle oder Wolle und brauchten daher ewig, um nach dem Bad zu trocknen. Verkleinerungen der Badekostüme wurden immer wieder von großen moralischen Bedenken gekennzeichnet, deshalb beschlossen in den 1930er-Jahren viele Länder strenge Regeln, wie weit ein Badeanzug ausgeschnitten sein durfte und was er unbedingt zu bedecken hatte. Die Bademode wurde trotzdem immer anliegender und knapper und 1949 brach der Boom des
Bikinis aus.
Karin aus Meran, heute 80 Jahre jung, erinnert sich noch gut an diese Zeiten: „Mit meinen Freundinnen haben wir uns Bikinis einfach selbst hergestellt, wir hatten ja kein Geld dafür, deshalb wurden einfach gewöhnliche BHs überzogen und schon waren wir badereif. Wir wollten ja den feschen jungen Männern, die täglich Flugball (heute Volleyball) im Lido spielten, imponieren. Ich würde sagen, es hat geklappt, im Schwimmbad sind nämlich mehrere Ehen entstanden, unter anderem meine, welche glücklicherweise bis heute standgehalten hat.“