Von Freundinnen, die heiraten, eng geschnürten Dekolletá©s und „Peter Rosegger reloaded“
Im Herbst 2012 von Verena Maria Hesse
Ich hätte wirklich gerne ein Dirndl. So ein richtig gut sitzendes, klassisches und durchaus auch traditionelles Dirndl.
Ich mache mir in der Tat Vorwürfe, dass ich mir in meinen elf Jahren Österreich keines zugelegt habe – ich hab es schlichtweg verabsäumt, zumal eine gute Freundin und Schneiderkollegin beim Steirischen Heimatwerk gearbeitet und praktisch ihr halbes Leben damit verbracht hat, Dirndln zu nähen.
Es scheint, als hätte ich, ehe es an der Zeit gewesen wäre, auf den Hochzeiten meiner Freundinnen in Tracht zu erscheinen, das Land verlassen.
Es ist zugegebenermaßen dünnes Eis – vor allem bei uns in Südtirol, wo die Tracht ja gewissermaßen totgetragen wurde.
Was ich damit meine, fragen Sie?
Ich meine damit, dass die Tracht meiner Meinung nach in unseren Breiten eine große und sehr zu bedauernde Inflation erlitten hat, weil das, was vor 30 Jahren an Kirchtagen und am Berg getragen wurde (einmal abgesehen von der langen Tradition des Dirndls als Alltagskleidung) durch das Tragen jeder Kellnerin in jedem Gasthof und fast jedem Hotel in seiner nicht gerade elitärsten Form an Wert verloren hat: Billigste Synthetikstoffe in Kitschfarben – Highlight sind stets das extrem nach oben geschnürte Dekolleté und die Kürze des Rockes – mit Herzchen- oder Kirschchenaufdrucken, natürlich das meiste davon „Made in China“, Korsagen und Spitzen, die mit einer schönen Klöppelspitze rein gar nichts mehr gemeinsam haben, sind übrig geblieben.