Thomas Aichner - Direktor der Marketing-Gesellschaft-Meran
Einzelkämpfer, Teamarbeiter, Marketingexperte und Heimatschützer
Im Frühling 2012 von Gudrun Esser
Das Meraner Land konnte auch im vergangenen Jahr beispielhafte Zahlen im Tourismus verzeichnen. Die Ankünfte stiegen um 3,3 Prozent, die Übernachtungen um 2,6 Prozent. Das war das siebte Jahr in Folge ein Rekordergebnis, trotz eines vergleichsweise schwächeren Dezembers, schreiben die Verantwortlichen der Marketing-Gesellschaft-Meran (MGM) in ihrer Tourismusbilanz 2011. Wachstum dürfe jedoch nicht auf Kosten der Qualität gehen, betonen die Verantwortlichen.
Selbst wenn das Ergebnis hervorragend ist, will sich die MGM kritisch mit dem Thema Wachstum auseinandersetzen. Statt ins Unendliche zu wachsen, wolle man sich verstärkt auf ein Mehr an Qualität konzentrieren, besonders auch hinsichtlich der Wirtschaftskrise. Vielmehr will man auf Stabilität setzen. Das betont MGM-Direktor Thomas Aichner, denn Tourismus sei nicht einzig eine Frage steigender Zahlen. Im Gegenteil: In jedem Fall müsse die Balance zwischen dem täglichen Leben und genügend Luft zum Atmen für die Bürger der Region stimmen, damit eine spürbare Lebensqualität erhalten bleibe. Quantitativ habe die Tourismusregion Meraner Land mit einer Million Übernachtungen im Jahr 2010 und 2011 wieder einen wichtigen Meilenstein erreicht, sagt Aichner. Qualitativ sei vieles richtig, dennoch gäbe es diesbezüglich noch viel zu tun.
Die Marketinggesellschaft wurde vor sechs Jahren als Bezirksableger der Südtiroler Marketinggesellschaft (SMG) gegründet, um die Tourismusentwicklung im Sinne der SMG zu fördern und auf diese Weise eine sinnvolle Bündelung der Arbeit einzelner Tourismusvereine vorzunehmen. Bevor Aichner vor sechs Jahren sein Amt antrat, hat jeder Ort für sich gearbeitet. Das Gesamtbild sei daher eher diffus gewesen, ein Zusammenspiel zwischen einzelnen Gemeinden - vor allem zwischen Meran und den umliegenden Orten - kaum wahrnehmbar. Mit der Gründung der MGM sollten sowohl Gemeinsamkeiten als auch reizvolle Unterschiede gefördert werden. Laut Aichner habe man vor allem die touristische Bedeutung hervorheben wollen, die Meran für die Orte, aber auch umgekehrt, einzelne Dörfer für Meran haben. Das sei notwendig gewesen, um als Region auf dem Markt sichtbar zu werden. Mit Einzelauftritten der Gemeinden hätte man dieses Potential nicht erreichen können. Zugleich soll der Gesamtauftritt jeden einzeln stärken.
Wofür aber genau braucht es die MGM?
Die MGM verstehe sich als kompetenter Ansprechpartner für alle, auch um den Vereinen Aufgaben abzunehmen. Das betreffe z.B. das Online-Markting, Vermarktungsstrategien über das Internet oder die Entwicklung eines Konzepts für einen neuen Gemeinde-Themenweg. Auch Aufgaben wie die Interpretation von Markforschungs- ergebnissen übernehmen Aichner und seine Mitarbeiter. Der Vorteil für jede einzelne Gemeinde liege darin, dass die MGM mit anderen Regionen objektiver vergleichen könne, dafür auch die notwendige Distanz, gleichzeitig die unmittelbare Verbindung zu Bozen, also zur SMG, und andere Verbindungen weit über Bozen hinaus hat, sagt Aichner.
Die MGM als Energielieferant und Verpackungskünstler für die einzelnen Tourismusgemeinden?
Verpackungskünstler ja, meint Aichner, die Energie entstehe aus der Wechselwirkung. Zum einen sauge die MGM die Energie auf, also das Potential der einzelnen Gemeinden, aber auch die positive Kraft der Südtiroler Marketinggesellschaft und anderer Märkte. „Wir verstehen uns als Katalysator“, sagt Aichner, indem man besondere Reize der Region unterstreicht und entsprechend energiegeladen vermarktet. So habe man den Kontrast alpiner und mediterraner Landschaft herausgearbeitet und als großes Paket neu, reizvoll und glaubwürdig verpackt. Damit konnte ein Produkt für viele unterschiedliche potenzielle Gäste gestaltet werden.
Auch in der aktuellen Jahresbilanz der MGM setzen sich die Fachleute kritisch mit dem Thema Wachstum auseinander. Dennoch scheint die Angst bei vielen groß, dass die Zahlen letztlich einbrechen könnten. Aichner ist überzeugt, dass auch ohne weiteren quantitativen Anstieg ökonomisches Wachstum möglich ist. Es ist eine Sache der Definition, sagt er. Manche Gebiete wie das Ultental oder Schnals könnten durchaus noch einen Besucheranstieg verkraften. Es gebe jedoch Orte, die ihre Grenze erreicht hätten. Die Stadt Meran, Dorf Tirol oder auch Schenna seien, die Gästeanzahl betreffend, am Limit. Die Herausforderung für die Marketingexperten liege deshalb im Wachstum der Wertschöpfung. Im Klartext bedeute das weniger Leute, die mehr Wertschätzung für das Produkt Meraner Land haben und bereit sind, dafür einen fairen Preis zu zahlen. Also künftig kaufkräftigere Gäste ansprechen, die bereit sind, für Qualität zu zahlen und damit vergleichbare Umsätze ermöglichen wie die Masse.
Das Bild, das sich uns in den Gemeinden, so auch dieses Frühjahr in Meran wieder bietet, lässt jedenfalls auf den ersten Blick kaum auf reinen Qualitätstourismus schließen: große Gruppen, Gäste, die sich im Supermarkt belegte Semmeln kaufen oder Würstl verzehren, Schnäppchenpreise und Pakete in manchen Beherbergungsbetrieben. Zunächst müsse der Händler von seiner Ware überzeugt sein, bevor er sie erfolgreich verkaufen kann. „Wenn ich lieber eine Swatch-Uhr statt einer Rolex trage oder Würstchen für mich Gourmetküche sind, dann werde ich mich schwer tun, etwas anderes zu verkaufen!“, sagt Aichner. Aber es gehe nicht darum, nur noch Fünfsternehotels und Gourmetküche anzubieten. Vielmehr müssten Hoteliers, Pensionsbetreiber und private Zimmervermieter selbst Wertschätzung und Respekt für die eigene Umgebung entwickeln.
Jeder Gastgeber müsse dann versuchen, sein Angebot qualitativ zu verbessern und schließlich den Mut aufbringen, den Preis angemessen zu erhöhen. Das gelte für den Würstlstand genauso wie für eine Dreisternepension oder den Urlaubsbauernhof.
Zudem täte nach Auffassung Aichners Südtirol gut daran, das Potenzial im Land noch besser auszuschöpfen. Wie eine engere Kooperation mit der Landwirtschaft, um kleine Kreisläufe auszubauen. Das sei zunächst mit Kosten verbunden, letztlich aber ein ganz gewöhnlicher Wirtschaftskreislauf. Eine Anfangsinvestition, um schließlich die Früchte zu ernten. Diese kleinen Kreisläufe auszubauen, gelte auch für den kulturellen Bereich, damit man im Wettbewerb differenzieren kann.
Über eine weitere Form der Finanzierung wird im Land gerade heftig debattiert, nämlich über die Tourismusabgabe, die Kurtaxe und darüber, wer zahlen soll, wem es hilft und wer leiden würde. Tourismuslandesrat Berger betonte Ende letzter Woche, dass es in Anbetracht von zum Teil besorgniserregenden Wirtschaftszahlen eine Stabilisierung des Tourismus brauche. Nach Berger trügen hierzu ein gestärktes Tourismusmarketing auf allen Ebenen und die Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel über das neue System der Tourismusfinanzierung bei (siehe Interview).
Thomas Aichner betrachtet die Tourismusfinanzierung als Medaille mit zwei Seiten:
Eine gesicherte Arbeit der Tourismusorganisationen durch eine Kurtaxe und eine finanzielle Unterstützung durch eine Tourismusabgabe einerseits. Andererseits sollen Tourismusorganisationen nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden, indem man von Tourismusorganisationen quantitative und qualitative Arbeit verlangt, damit Mittel zum Wohle aller beteiligten Zahler eingesetzt werden. Zudem ist Aichner der Ansicht, dass Tourismusvereine keine Marketinggelder mehr ausgeben sollten, sondern, dass dies die Aufgabe der Tourismusverbände sein müsse. Veranstaltungen der Vereine sollten Qualitätsstandards aufweisen. Mitarbeiter der Vereine sollten gekoppelt an eine Finanzierung auch angehalten sein, ein Minimum an Weiterbildung zu absolvieren. Zudem sollte seiner Auffassung nach festgelegt werden, wie das Marketing der Tourismusverbände auszusehen hat, in Abstimmung und in Einklang mit der SMG. Der MGM-Direktor regt zudem an, Standards regelmäßig zu überprüfen, entsprechende Parameter hierfür ließen sich auch festlegen. In Konsequenz hieße das, wenn ein Verein oder Verband sich nicht an die Qualitätsstandards, d.h. an die Erwartungen, die mit den Zahlungen verbunden sind, hält, erhalte er auch keine Zuschüsse. Das sei kein Korsett, sondern ein der freien Wirtschaft entsprechender Anreiz.
Ein anderes, jüngst in Meran wieder heftig debattiertes Thema ist die Organisation des Weihnachtsmarktes
Nachdem die Veranstaltung ein - touristisch betrachtet - wichtiger Termin im Meraner Jahreskalender ist, hat sich auch die MGM, ihrer Aufgabe gemäß, immer wieder kritisch mit dem Produkt auseinandergesetzt. Positiv findet Aichner, dass die Kurverwaltung künftig für den Markt verantwortlich ist, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass schnell gehandelt werden musste. Die Kurverwaltung sollte seiner Ansicht nach nun mit viel Achtsamkeit und Qualitätsbewusstsein an dieses Projekt herangehen. Dazu gehöre auch eine entsprechende Ausschreibung, nicht für einzelne Stände, vielmehr für ein Gesamtkonzept. Danach sei es notwendig, Arbeitskraft und Know-how entsprechend einzusetzen. Wichtig sei zudem, dass die Kurverwaltung auf die Expertise der SMG und der MGM zurückgreife. Der Meraner Advent habe den Wintertourismus überhaupt erst wieder zum Leben erweckt und sei ein wichtiges wirtschaftliches Zugpferd. „In den letzten Jahren hat beim Weihnachtsmarkt in der qualitativen Entwicklung ein Stillstand eingesetzt“, sagt Aichner.
Auch die Besucherzahlen haben abgenommen. Daher sei eine qualitative und inhaltliche Erneuerung, die sowieso auf der Tagesordnung gestanden habe, unabhängig von den Organisatoren, in jedem Fall von Nöten. Nach Ansicht des MGM-Direktors ist dieser - wenn man so will - Neubeginn eine große Chance für den Weihnachtsmarkt.
Wie stellen sich die Marketingexperten eine solche Neuausrichtung vor?
Die Weihnachtsmarktmeile, wie sie derzeit bestehe, sei Schnee von gestern. Zunächst müsse man noch einmal klar definieren, wie Weihnachten in einer Stadt aussehe. Und das sei anders, als in einem Dorf. Auch „architektonisch“ müsse man umdenken, überlegen, welche Gebäude tatsächlich dazugehörten, welches Licht, welche Musik. Der zweite Schritt sei, darüber nachzudenken, wer in das Markttreiben einbezogen werden sollte. Erstes Anliegen sollte sein, dass vor allem die Meraner selbst gerne ihren Markt besuchen, sich damit identifizieren können und das nicht ausschließlich beim Glühweintrinken. Wenn man erreiche, dass jeder einheimische Weihnachtsmarktbesucher mindestens ein Weihnachtsgeschenk auf dem Markt kauft, dann sei die Ausrichtung des Marktes richtig. Die bisherige, Aichner nennt es „Retorte“, auf der Promenade, sollte man auf die ganze Altstadt verteilen. Erfolgreiche Beispiele, wie der Markt im Schloss Kallmünz oder Stände auf dem Sandplatz gäbe es bereits. Damit würde sich ein attraktives Miteinander bestehender Geschäfte und Marktstände ergeben.