Die schlimmen Momente der Lokalpolitik
Im Sommer 2024 von Robert Asam
Leifers hat einen SVP-Bürgermeister. Wäre anstatt Giovanni Seppi Johann Josefi auf dem Stimmzettel gestanden, wäre es vielleicht anders gekommen. Leifers ist zu 75 Prozent italienisch, also war auch der Bürgermeister immer italienisch. Zumindest in den vergangenen sechs Jahrzehnten. Aber man würde Seppi unrecht tun, dass sein Erfolg nur möglich war, weil er einen Namen trägt, der auch den italienischen Mitbürgern leicht über die Zunge geht. Giovanni Seppi hatte einige Jahre Gelegenheit, zu beweisen, dass er es kann. Während seine Mitterechts-Konkurrentin ihren Mitbürgern nur mitgeteilt hat, dass man Leifers nicht der SVP überlassen dürfe, hat Seppi zu verstehen gegeben, dass es nicht so sehr auf die Volksgruppenzugehörigkeit ankommt, sondern auf die Kompetenz. Das haben viele Leiferer und Leifererinnen – verzeihen Sie mir den Zungenbrecher – verstanden und entsprechend unorthodox gewählt. Nur Giorgia Melonis verlängerter Arm in Südtirol, Alessandro Urzí, ist erschrocken und hat die Bürgermeisterwahl in Leifers als „eines der schlimmsten Kapitel der Lokalpolitik“ bezeichnet. Schon wahr, dass Urzí damit vor allem das Versagen der zerstrittenen Mitterechtsparteien im Blick gehabt hat. Allerdings sagt Urzí damit auch, dass es die Schuld der Italiener ist, wenn ein SVPler Bürgermeister wird. Nicht ganz deutsch, so halb, aber eben blöderweise SVP. So neu ist das alles aber nicht. Wir Meranerinnen und Meraner haben doch auch schon vorbildlich sprachgruppenübergreifend gewählt. Es ist gerade einmal drei Jahre her, da hat Meran dank deutschsprachiger Wählerinnen und Wähler einen italienischen Bürgermeister bekommen. Im Gegensatz zum Leiferer Ergebnis hielten sich die landesweiten Jubelarien in Grenzen. Aber ich werde mich hüten, von einem der schlimmsten Kapitel der Lokalpolitik zu sprechen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Leifererinnen und Leiferer mit ihrem Giovanni etwas mehr Glück haben, weil der weiß, worauf er sich einlässt. Zugegeben, in Meran war und ist die Lage komplizierter, weil sich deutsche und italienische Mitbürger die Waage halten und immer alles gerecht verteilt werden muss. Das „sottogoverno“ – von A wie Azienda Municipalizzata bis Z wie Zigarettenstummel-Sammelbehörde (soeben erfunden) darf auf keinen Fall Schlagseite bekommen. Wenn der Hans einen Sessel wärmt, muss der Gianni auch wo sitzen dürfen. Gerade ist wieder großes Sesselrücken angesagt. Unabhängig davon wird 2025 der Gemeinderat neu gewählt. So gesehen steht uns also ein neues Kapitel Lokalpolitik bevor, von dem wir noch nicht wissen, wie schlimm es wird.