Vorsichtshalber anonym.
Südtirol ist ein gefährliches Land und – was ich bisher nicht wusste – autoritär dazu. Gefährlich, weil uns fast täglich in den Medien wilde Tiere begegnen, die in den Wäldern nur darauf warten, harmlose Pilzesammler zu terrorisieren. Autoritär, weil man anscheinend Kopf und Kragen riskiert, wenn man Missstände aufzeigen will. Aufzeigen und ansprechen kann man sie schon, aber anonym. Machen wir ein Beispiel: Wenn es – nur angenommen – in der Schule brennt, kann man laut „Feuer, Feuer!“ rufen, aber nicht die Feuerwehr. Die Feuerwehr will nämlich wissen, wo gelöscht werden soll. Spätestens dann wird die Anonymität zum Problem. Ja, ja, der Vergleich mag ein bisschen hinken, aber das Körnchen Wahrheit steckt drin.
In Russland ist es gefährlich, mit einem weißen Blatt Papier auf dem Roten Platz herumzustehen. Auch bei uns hat ein weißes Blatt Papier Konsequenzen, vor allem bei einer Schularbeit. Da wäre es sogar verständlich, das weiße Blatt Papier anonym abzugeben. Also ohne Namen. Schon wieder so ein dümmlicher Vorschlag zur besseren Bewältigung des Schulalltages. Aber ich kann mir das erlauben, weil ich nämlich beschlossen habe, diese Glosse anonym zu schreiben. Ich will schließlich nicht den Zorn der Schulbehörde zu spüren bekommen. Und vor allem will ich nicht in den sozialen Medien Kommentare lesen, von Menschen, die zwar schreiben, es aber nicht können, meistens nichts zu sagen haben, aber glauben, das der Welt trotzdem mitteilen zu müssen, und zwar ohne Zuhilfenahme von Grammatik und Rechtschreibung.
Die Schreiber und – vermutlich – Schreiberinnen verschanzen sich in diesen Fällen hinter einem Pseudonym. Falls sich jetzt jemand verunglimpft fühlt, bitte ich um Verzeihung. Pseudonym ist kein Schimpfwort, sondern ein Deckname, ein Tarnname, hinter dem man sich verstecken kann. Auch Künstler verwenden manchmal Pseudonyme. Aber denen muss man nicht erklären, was ein Pseudonym ist, und sie wissen auch, wie man es schreibt. Viele Decknamen in den sozialen Medien lesen sich, als wären sie das Ergebnis einer längeren Sitzung am Klo. Ich bin am Überlegen, ob ich mich für „mausi53“ oder „dauerfurzer“ entscheiden soll. Auch „achphilipp“ wäre attraktiv, könnte mir aber Schwierigkeiten bereiten. Dann doch besser „frittatensuppn“, das ist bekömmlicher und vor allem geschlechtsneutral. Die Entscheidung wird mir gewaltiges Kopfzerbrechen bereiten. So gesehen vielleicht doch besser anonym als Pseudonym.