Cristina Kury
„Grande Dame” der grünen Politik
Im Frühling 2019 von Eva Pföstl
Die Stimme erheben, sich einbringen, mit argumentativer Brillanz und Schärfe, das macht Cristina Kury, die kürzlich ihren 70. Geburtstag feierte, seit Jahrzehnten. Bis zum 40. Lebensjahr arbeitete sie als geschätzte Lehrerin an der Frauenoberschule Meran und engagierte sich im kulturellen Bereich der Stadt Meran. So war die Neuausrichtung der Urania Meran nach 1978 ihr Mitverdienst, ebenso die Initiative „Jugend und Musik“ sowie der Erfolg des Filmclubs. Über den Bereich von Bildung und Kultur kam Kury in den Meraner Gemeinderat, in den sie 1990 gewählt wurde. Dank ihrer Sach- bzw. Dossierkompetenz und ihrer schlagfertigen Gestaltungskraft drückte sie dem Gemeinderat deutlich einen Stempel auf. Das ist außergewöhnlich, weil in Meran Gemeinderatsmitglieder durch die Notwendigkeit, Kompromisse eingehen und einen Konsens finden zu müssen, meistens an Profil verlieren.
Rasch folgte der nächste Aufstieg, nämlich jener in den Südtiroler Landtag. Von 1993 bis 2008 war sie Abgeordnete der Südtiroler Grünen im Landtag und damit gleichzeitig im Regionalrat Trentino-Südtirol. Im Landtag fungierte sie als Fraktionssprecherin ihrer Partei. Auch im Landtag wurde sie für ihre Kompetenz und ihren politischen Instinkt, gepaart mit Bodenhaftung, geschätzt. Die Klarheit und Schärfe ihrer Argumentationen brachte so manchen politischen Gegner ins Schwitzen. Kury bearbeitete ein breites Feld, in dem sie sich vorab in Sachen Raumordnung und Energie allseits anerkannte Kompetenz erwarb. Sie scheute sich nie, außergewöhnliche Aktionen zu unterstützen und durchzusetzen, die von Anfragen über Bürgerdebatten bis zu gerichtlichen Eingaben reichten. Als sie 2008 auf eigenen Wunsch nach 15 Jahren aus dem Landtag ausschied, wurde dies von Anhängern und Gegnern gleichermaßen bedauert.
2010 trat sie in Meran als Bürgermeisterkandidatin gegen Amtsinhaber Günther Januth von der SVP an, unterlag jedoch in der Stichwahl. 2015, nach dem Sieg von Paul Rösch zum Bürgermeister der Stadt Meran, wurde sie wieder in den Gemeinderat der Stadt Meran gewählt und übernahm dort den Fraktionsvorsitz der Bürgermeisterliste Rösch/Grüne. Heute mit 70, einem Alter, in dem viele Menschen längst der Rente frönen, beweist sie ungebrochenen Einsatz für Meran, wo sie ebenso diskret wie politisch effizient agiert.
Meraner Stadtanzeiger (MS): Frau Kury, würden Sie sich nach 70 Jahren Lebenserfahrung immer noch als eine typische Grüne bezeichnen?
C. Kury: Die Grundeinstellung, dass ökologische und nachhaltige Aspekte wesentlich bei jeder Entscheidung sind, ist mir zunehmend mehr ans Herz gewachsen. Ich fühle mich auch mit meinen grünen Freunden und ihren Inhalten sehr wohl. Was mit zunehmendem Alter vielleicht mehr in den Vordergrund getreten ist, ist die Überzeugung, dass es wichtig ist, Dinge jenseits einer parteilichen Linie zu tun. Immer wieder musste und muss ich feststellen, dass viele wichtige Dinge aufgrund von Mutter- und Vaterschaftsstreitigkeiten, politischem Kalkül usw. nicht getan werden und das nervt mich zunehmend. Wichtig ist die Sachbezogenheit nicht die Parteigebundenheit!
MS: In der Vergangenheit waren die Kernthemen der Grünen hauptsächlich Umweltschutz und das Zusammenleben der beiden Sprachgruppen in Südtirol. Welches sind heute die identitätsstiftenden Punkte der Grünen?
C. Kury: Umweltschutz (oder ökologische Nachhaltigkeit, wie man heute sagt) ist immer noch ein Kernthema der Grünen. Dieses Thema besetzen zwar mittlerweile alle Parteien, aber für uns Grüne geht es vor allem darum, diese Ziele auch konsequent umzusetzen. In der Theorie setzen sich alle Parteien für den Umweltschutz ein, in der Praxis ist es jedoch nicht so. So sind z.B. alle Parteien gegen Verkehrsüberlastung, aber sobald man konkrete Vorschläge macht, gehen alle auf die Barrikaden.
MS: Stichwort Zusammenleben?
C. Kury: Auch das Thema Zusammenleben ist mir nach wie vor ein großes Anliegen. Heute hat das Thema aufgrund der Migrationswelle noch einen neuen Aspekt dazubekommen und hat daher eine neue, aktuelle Wichtigkeit.
MS: Stichwort soziale Gerechtigkeit?
C. Kury: Ökologische Nachhaltigkeit kann nur durchgesetzt werden, wenn sie sozial verträglich ist. Deshalb ist die soziale Gerechtigkeit auch ein Kernthema der Grünen. Alle drei Themen verstehe ich als Querschnittsthemen und sie müssen somit in allen anderen Politikfeldern berücksichtigt werden.
MS: Ökologische Themen sind voll im Trend. In der Schweiz, in Deutschland, in Österreich sind die Grünen auf dem Vormarsch. Wie schaut es bei uns aus?
C. Kury: Die Grünen sind in der Schweiz, in Deutschland und in einigen Bundesländern in Österreich auf dem Vormarsch und das freut mich natürlich. Allerdings ist zu bemerken, dass in den südlichen Ländern, und dazu gehört nun mal auch Italien, grüne Themen keine Rolle spielen. Italienweit ist ja bekanntlich mit der Lega der Populismus auf dem Vormarsch und „grüne Themen“ haben leider überhaupt keine Stimme.
MS: Und bei uns in Südtirol?
C. Kury: Auch da gibt es Erfolge, wie zum Beispiel in Meran. Bei der Bildung der neuen Landesregierung hat die SVP allerdings die Koalition mit der Lega bevorzugt. Seit Jahren gibt es innerhalb der SVP eine wirklich tiefsitzende Abneigung gegenüber uns Grünen. Dabei geht es natürlich um Eigeninteressen besonders vonseiten der Bauern- und Wirtschaftslobbys, die Einschränkungen befürchten.
MS: Weshalb ist die Lega mit ihrem ethnisch gefärbten Verständnis von Heimat so viel erfolgreicher als die ökologische Variante der Grünen?
C. Kury: Um es kurz auszudrücken: Es verarmen immer mehr Menschen, die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander und es herrscht eine große Verunsicherung bei der Bevölkerung. Ein Sündenbock für all das musste gefunden werden – und das sind die Ausländer! Dabei wird vergessen, dass wir jedoch auf Ausländer im Arbeitsleben und bei sozialen und sanitären Diensten angewiesen sind. Diese brauchen wir dringend und alle, die da sind, sollten wir versuchen zu integrieren.
MS: Mit welcher Strategie treten die Grünen den Rechtspopulisten entgegen? Welche Rezepte haben Sie?
C. Kury: Ich hoffe auf die Entzauberung. Es wurden viele schöne Dinge versprochen, aber jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Die Regierung muss jetzt durch die harte Schule der Wirklichkeit gehen. Jeder, der Verantwortung trägt, ist gezwungen, sich mit Entwicklungsfakten auseinanderzusetzen und diese schauen leider nicht so gut aus.