„Für jeden Apfel die geeignete Lösung“
Obstversteigerung, Obstvermarktung und Obstverarbeitung
Im Herbst 2018 von Philipp Rossi
Über 900.000 Tonnen – d.h. mehr als 45.000 LKW – Äpfel werden jährlich in Südtirol geerntet. 93 % davon vermarkten die Obstgenossenschaften, die in den vergangenen Jahrzehnten im ganzen Land entstanden sind. Den restlichen Bestand liefern die Bauern hingegen an Privatbetriebe, welche die Früchte dann versteigern, verarbeiten und vermarkten. Im Meraner Raum hat sich die Firma Fructus, welche die Familie Theiner mittlerweile in dritter Generation führt, einen Namen gemacht. „Unser Betrieb“, erklärt Peter Theiner, der Verkaufsleiter der Fructus AG, „ist auf drei Standbeinen aufgebaut: Wir versteigern Äpfel und Birnen, vermarkten sie als Tafelobst und verarbeiten sie zu verschiedenen Zwischen- und Fertigprodukten.“
Über 70 Jahre Erfolgsgeschichte
Franz Theiner, der Großvater von Peter Theiner, gründete das Unternehmen 1947. Anfänglich hatte Franz Theiner mit dem Meraner Safthersteller Zipperle zusammengearbeitet, später gründete er dann seinen eigenen Betrieb. „Mein Opa begann damit, Äpfel nach Deutschland zu exportieren und diese gegen Holz- und Spielwaren einzutauschen, welche er dann wiederum in Südtirol verkaufte“, erklärt der Verkaufsleiter. Ein richtiger Unternehmer sei Franz Theiner gewesen. So habe er auf seinem Motorrad ganz Norditalien durchquert und neue Kunden gesucht. „In den 1960er-Jahren merkte mein Großvater, dass sich die Bauern in Südtirol nach und nach zu Genossenschaften zusammenschlossen. Daher suchte er nach einer neuen Marktstrategie, um sein Unternehmen weiterhin konkurrenzfähig zu halten“, führt Peter Theiner aus. Fündig wurde Franz Theiner in Holland, wo er das Obstversteigerungsgeschäft entdeckte. Er importierte es nach Südtirol, seitdem finden in der Erntesaison täglich die Versteigerungen am Firmensitz in Vilpian statt. 1972 kam schließlich das dritte Standbein des Unternehmens hinzu: die Obstverarbeitung. „Inzwischen waren mein Vater Fritz und mein Onkel Jörg in den Betrieb eingestiegen“, erinnert sich Peter Theiner. Im Mittelpunkt stand zunächst die Überlegung, welche Verwendung man für die minderen Qualitäten finden könne. So wurden zunächst gekochte Äpfel in Dosen verkauft, die Abnehmer waren kleinere Importeure. „In den ersten Produktionsjahren lief das Geschäft schleppend, erst nach einiger Zeit kam die Produktion ins Rollen“, sagt Peter. Anfänglich verarbeitete die Fructus AG einige Tausend Tonnen Obst, d.h. Äpfel und Birnen, im Jahr, mittlerweile sind es fast 40.000 Tonnen. Geführt wird das Unternehmen bereits in dritter Generation: Neben Peter Theiner sind auch sein Bruder Andreas und sein Cousin Thomas in die Firmenleitung eingestiegen.
Das 1. Standbein: die Obstversteigerung
Über 40.000 Tonnen, d.h. ungefähr 2.000 LWK, bietet die Fructus AG über ihre Tochterfirma Egma GmbH jährlich auf ihren Versteigerungen in der Firmenhalle nahe dem Vilpianer Bahnhof an. „Die Obstbauern liefern uns während der Erntezeit täglich ihre Ware, wir wickeln die Versteigerung ab und stellen den Kontakt zu den Abnehmern – in den meisten Fällen handelt es sich um Detailhändler – her“, erklärt Verkaufsleiter Peter Theiner. Der Preis wird täglich festgelegt, ausschlaggebend ist dafür die Qualität der Ware, die die Obstbauern liefern. „Für den Landwirt entsteht dadurch der Vorteil, dass er nicht einen Durchschnittspreis erhält, sondern den genauen Betrag, den seine Ware auf dem freien Markt wert ist“, erklärt Theiner. Ungefähr 600 Lieferanten aus allen Landesteilen versteigern ihre Ware über die Egma GmbH. „Die Hersteller geben die Ware in einer unserer Übernahmestellen in Völlan, Brixen, Burgstall, Prad am Stilfserjoch oder auf dem Ritten ab. Dann stellen wir die Kisten mit dem Frischobst in unserer Versteigerungshalle auf, sodass die Kunden die Produkte begutachten können, bevor die eigentliche Auktion stattfindet“, erklärt der Verkaufsleiter. Der Großteil der Kundschaft komme aus Italien, meistens handelt es sich um Einzelhandelsbetriebe bzw. Marktstandbetreiber. Angeboten werden nur Äpfel und Birnen aus der höchsten Qualitätsklasse. „Bei den Äpfeln fordern wir beispielsweise eine Mindestgröße von 70 mm“, fügt Peter Theiner hinzu.
Das 2. Standbein: die Obstvermarktung
Für die Vermarktung von Äpfeln und Birnen, die als Tafelobst an verschiedene Abnehmer im In- und Ausland verkauft werden, bezieht das Unternehmen die Rohwaren vorwiegend in Großkisten. Die Produkte werden dann sortiert und verpackt, wobei, wie Peter Theiner unterstreicht, „wir alle gängigen Verpackungen für den Einzelhandel anbieten.“ Dabei handelt es sich um die klassischen Verkaufsschalen und Plastikbeutel, aber auch um Netze und Plateaus. 20.000 Tonnen Obst verpackt die Fructus AG jährlich. Der Großteil der Ware landet in Deutschland. „Obwohl auch die Verbraucher nördlich der Alpen zunehmend darauf achten, einheimische Produkte zu konsumieren, bildet Deutschland immer noch unseren Hauptmarkt“, erklärt der Verkaufsleiter. Angeboten werden die frischen Äpfel und Birnen unter dem Markenname „Fructus Meran“. „Der deutsche Kunde kennt Südtirol, und besonders die Stadt Meran, als Urlaubsziel und verbindet damit gute Qualitätsprodukte“, ergänzt Theiner. Gleichzeitig versucht das Vilpianer Unternehmen, neue Märkte zu gewinnen und sucht daher auch in Nordafrika und in Asien nach neuen Kunden. An zwölf Monaten im Jahr liefert die Fructus AG ihr Tafelobst. Aufbewahrt werden die Früchte nicht nur in Vilpian, sondern auch in den beiden Kühllagern in Bozen und Meran. „Indem in der Luft in der Kühlzelle der Sauerstoffgehalt gesenkt und gleichzeitig der Stickstoffgehalt erhöht wird, werden der Reifeprozess verlangsamt und die Äpfel in eine Art ‚Schlafzustand‘ versetzt. So können wir auch noch im Juli des Folgejahres frische Äpfel liefern“, erklärt Peter Theiner.
Das 3. Standbein: die Obstverarbeitung
Insgesamt 600 Artikel zwischen Dunst- und Tiefkühlobst sowie frisch geschälter und geschnittener Ware stellt die Fructus AG her. Das Hauptprodukt bilden gekochte, pasteurisierte Äpfel, welche in Dosen oder Beuteln verkauft werden. „Der Großteil der Rohware für die Verarbeitung der Äpfel und Birnen stammt aus Südtirol, aus dem Trentino, aus dem Veroneser und Ferrareser Raum und aus Piemont. Dadurch sind wir nicht bloß von einem einzigen Gebiet abhängig“, erklärt Peter Theiner. 40.000 Tonnen verarbeitet die Fructus AG jährlich zu Dunstäpfeln, Tiefkühlware usw. Über 800 Obsterzeuger versorgen das Unternehmen mit bester Rohware der verschiedenen Sorten. Die angelieferten Früchte werden geschält, entkernt und geteilt und dann je nach Endprodukt unterschiedlich weiterverarbeitet. Im Labor überwachen fünf Lebensmitteltechniker laufend die Herstellung und führen dabei sowohl mikrobiologische als auch einfache visuelle oder sensorische Untersuchungen durch. Das hochwertige Dunst- und Tiefkühlobst kommt in Backwaren, Feinkostsalaten, Fruchtzubereitungen und in Babynahrung zum Einsatz. „Besonders wichtig ist dabei, dass das Obst keine Fremdkörper, keine Schalenreste und keine Kerne enthält“, fügt Verkaufsleiter Peter Theiner hinzu. Der Transport erfolgt auf schnellstem Wege, damit die Ware noch frisch beim Kunden ankommt. „Unsere frisch geschälten Äpfel tauchen wir beispielsweise schon um vier Uhr morgens in ein Wasserbad mit Zitronen- und Ascorbinsäure ein. Die Produktion von Fruchtstücken läuft bis Mittag, danach wird das Obst sofort auf den LKW geladen und es trifft schon um 10 Uhr abends beim Kunden ein. Dieser verarbeitet dann die Ware in der Nacht weiter, sodass die fertigen Konditorwaren schon am darauffolgenden Tag in den Regalen stehen“, fügt Peter Theiner mit Stolz hinzu. Seit dem vergangenen Jahr stellt die Fructus AG auch Apfelpüree her. „Es wird vorwiegend in der Smoothie-Produktion eingesetzt“, fügt er hinzu. Die Kundschaft stammt sogar aus dem Fernen Osten. „Japanische Verbraucher verlangen höchste Qualität“, so Peter Theiner. Dies stelle zwar eine zusätzliche Herausforderung für das Unternehmen dar, ermögliche es ihm aber gleichzeitig, sich dem harten Preiskampf zu entziehen und stattdessen mit hervorragender Produktklasse zu punkten. Dabei werde es für Einzelhändler und Endverbraucher immer wichtiger, jeden Apfel rückverfolgen zu können, d.h. genaueste Angaben über den Obstbauern, das Kontrollverfahren und die Lieferung zu erhalten. „Dafür ist eine perfekt organisierte Verarbeitungskette unverzichtbar“, erklärt Verkaufsleiter Theiner.