Kompatscher zu 700 Jahre Stadt Meran
Im Frühling 2017 von Eva Pföstl
Das 700-Jahr-Jubiläum der Stadt Meran steht bevor. Grund genug, dass der Meraner Stadtanzeiger unseren Landeshauptmann Arno Kompatscher um ein Interview bittet.
Meraner Stadtanzeiger (MS): Wann haben Sie das letzte Mal privat Meran besucht?
Arno Kompatscher: Gemeinsam mit meiner Frau war ich zu einem Abendessen bei Freunden eingeladen.
MS: Welchen Eindruck haben Sie von der Stadt?
A. Kompatscher: Meran ist eine vielfältige Stadt des Miteinanders, die schon immer sehr weltoffen war. Abgesehen von der außerordentlichen geografischen Lage und dem wunderbaren Klima, hat Meran besondere architektonische Reize und mit dem Kurhaus, der Passerpromenade, dem schönen Stadtkern, der Therme und den Gärten von Schloss Trauttmansdorff auch besondere Anziehungspunkte zu bieten. Ich denke, dass es Meran – wo sich die deutsche und die italienische Sprachgruppe heute in etwa die Waage halten – gelungen ist, eine gute wirtschaftliche und touristische Entwicklung zu nehmen. Nach einem leichten Tief in den 1980er- und 1990er-Jahren ist Meran längst wieder im Aufschwung. Die hohe Lebensqualität, die Meran zu bieten hat, ist vielleicht nicht allen bewusst.
MS: Die Stadt Meran feiert seine 700 Jahre. Dabei geht es nicht nur um „Vergangenheitsbewältigung”, sondern insbesondere auch um die Frage einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Welche Rahmenbedingungen bietet diesbezüglich Ihre politische Agenda?
A. Kompatscher: Für Meran gelten dieselben Rahmenbedingungen wie für den Rest des Landes, ganz gleich ob es sich um wirtschaftliche, wohnbau- oder energiepolitische, soziale oder gesellschaftliche Belange handelt. Viele Entscheidungen hängen von der Stadtverwaltung selbst ab. Mein Eindruck ist, dass in den vergangenen 20 Jahren weitsichtige Verwalter am Werk waren, denen eine positive Stadtentwicklung am Herzen lag. Dass nicht immer alles umgesetzt werden kann, was auf der Agenda stand oder steht, hängt manchmal nicht zuletzt von politischen Faktoren ab. Die Meraner Stadtverwalter haben aber stets versucht, möglichst „nachhaltige Entscheidungen“ zu treffen. Nachhaltigkeit ist meines Erachtens nichts Neues; es ist Aufgabe der Politik, für ökologisch, politisch-sozial und ökonomisch vertretbare Entwicklungen einzutreten. Kontrovers diskutierte Entscheidungen in Meran gab es einst bezüglich Kurhaus- oder Stadttheaterbau, dann auch zur Therme und zum botanischen Garten – allesamt Projekte, die sich letztendlich als zukunftsträchtig erwiesen haben. Eine große Entlastung wird endlich die geplante Meraner Nordwest-Umfahrung bringen.
MS: Der Verkehr in Meran hat heute – besonders in Zeiten der touristischen Hochsaison – die Grenze des Zumutbaren für Bevölkerung und Natur erreicht. Welches Verkehrsaufkommen ist in Zukunft vertretbar?
A. Kompatscher: Das Land Südtirol hat sich vor allem im Bereich der Mobilität hohe Ziele gesteckt. Wir wollen uns zu einer Modellregion für nachhaltige alpine Mobilität entwickeln. Dafür bündeln wir die Kräfte und haben ein umfangreiches Maßnahmenpaket für nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität erarbeitet. Unsere Bemühungen zielen auf Landesebene darauf ab, den Individualverkehr einzuschränken, indem wir ein möglichst attraktives und breites Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln schaffen. Meranspezifisch ist zu betonen, dass die Diskussion um die Notwendigkeit der Meraner Nordwest-Umfahrung lange gedauert hat; diese wird nun aber gebaut – und wird zu einer Verkehrsentlastung führen. Verkehrspolitik in Meran ist nicht ganz einfach; der Bau des Küchelbergtunnels ist aber stets von vielen anderen Maßnahmen flankiert worden: zum einen durch den Bau von Strukturen (Straßen, Parkplätze, Radwege usw.) und das Bereitstellen von Angeboten (Bahn, Bus usw.) und zum anderen durch Sensibilisierung, auf das Auto zu verzichten – das ist das, was die öffentliche Hand tun kann.
MS: Wann werden wir mit einer modernen, zweigleisigen S-Bahn zwischen Bozen und Meran rechnen können?
A. Kompatscher: Vor zwei Jahren habe ich ein Abkommen mit der italienischen Eisenbahngesellschaft RFI für die strategische Entwicklung der nächsten zehn Jahre in Südtirol unterzeichnet: Darin ist vorgesehen, die Bahnlinie zwischen Sigmundskron und Terlan zu begradigen und zweigleisig zu führen, um erst mal ein stabiles, pünktliches Angebot zu bekommen. Wir bemühen uns zurzeit, dass die Kosten in der Höhe von rund 40 Millionen Euro vom Staat getragen werden, da dieser Abschnitt ja dem Staat gehört. Für Projektierung und Bau schätzen wir rund fünf bis sieben Jahre. Langfristig hingegen muss es unser Ziel sein, von Bozen bis Meran zweigleisig ausgebaut zu haben, um im Stile einer S-Bahn im 15-Minuten-Takt zwischen Bozen und Meran in kaum mehr als ½ Stunde zu fahren. Unsere Techniker arbeiten bereits an dieser Gesamtlösung.
MS: Welche Grenze des Tourismus sichert uns eine lebenswerte Zukunft in Wohlstand, in sozialem Frieden und in einer intakten Umwelt? Gibt es eine Obergrenze?
A. Kompatscher: Im Meraner Rathaus liegen derzeit ja mehrere Anträge um Ausweisung von neuen Hotelzonen auf. Gerade in einer Stadt, die doch weitgehend vom Tourismus lebt, sollte nicht jede Erweiterung der Bettenzahl auf Widerstand stoßen. Das heißt aber nicht, dass wahllos neue Hotels auf der grünen Wiese entstehen sollen. Gerade dieses Grün ist ja der Nährboden für einen gesunden, funktionierenden Tourismus. Potenziale sind in Meran noch da – die Qualität sollte aber auf jeden Fall vor die Quantität gestellt werden.
MS: Was kann die Stadt Meran für die Wirtschaftsentwicklung tun, insbesonders für die Industrie?
A. Kompatscher: Meran war und ist eine Tourismusstadt, mittlerweile während des ganzen Jahres. Die Ansiedlung neuer großer Industriebetriebe passt eher nicht zu dieser Ausrichtung. Zudem hat Meran, verglichen mit anderen Städten, hinsichtlich der Erreichbarkeit den Unternehmen keine besonderen Vorteile zu bieten. Trotzdem sollte sich die Stadtverwaltung bemühen, die Voraussetzungen für die Ansiedelung neuer Betriebe aus allen Wirtschaftsbereichen zu schaffen. Dies ist nicht ganz einfach; aber ich weiß, dass man daran arbeitet. Besondere Entwicklungschancen sehe ich in Meran vor allem im Dienstleistungsbereich.
MS: Die Gemeinde Meran muss sich entscheiden, wie in Zukunft neu zu nutzende Flächen (vor allem das ehemalige Militärareal in Untermais und der Bereich rund um den Meraner Hauptbahnhof) integriert werden. Gibt es vonseiten der Landesregierung Vorschläge, um Synergien mit anderen landesweit geplanten Projekten aufzubauen? Welche Anknüpfungspunkte erachten Sie als Landeshauptmann für erstrebenswert?
A. Kompatscher: Im Zuge eines Beteiligungsprozesses hat die Meraner Bevölkerung bereits im „Masterplan 2030“ grundlegende Aussagen für die künftige städtebauliche Entwicklung geäußert. Nicht zuletzt das ehemalige Militärareal in Untermais bietet diesbezüglich ungeahnte Möglichkeiten, es birgt aber aufgrund seiner Größe auch zahlreiche Gefahren. Eine Bebauung liegt noch in weiter Ferne; demnach ist noch offen, wie und wo Stadt und Land zusammenarbeiten werden. Eines ist aber gewiss: Eine enge Zusammenarbeit ist unumgänglich. Öffentliche Einrichtungen, Wohnraum… - es kann vieles Platz haben. Nicht zuletzt soll den Bürgerinnen und Bürgern ausreichend Raum zugutekommen.
MS: Der Pferderennplatz von Meran wird international als einer der schönsten Pferderennplätze Europas bezeichnet. Beteiligt sich das Land an der Erneuerung der teilweise vernachlässigten Infrastruktur?
A. Kompatscher: Die Anlage in Untermais ist in der Tat einmalig, und auch ich besuche sie immer wieder sehr gerne. Ich habe auch so manches spannende Pferderennen miterlebt. Der Pferderennplatz in Meran ist ein Juwel und seine positive Weiterentwicklung liegt sicher im gemeinsamen Interesse von Gemeinde und Land. Derzeit ist der Pferderennplatz bis 2030 verpachtet und ich beobachte mit Genugtuung, dass die Führungsgesellschaft unternehmerische wie sportliche Ziele zu erreichen scheint und gleichzeitig die Anlage für die Bevölkerung geöffnet wird.
MS: Die traditionsreiche Akademie Meran hat in letzter Zeit neuen Aufschwung und Zuspruch erhalten. Wird sich das Land engagieren, um dort eine Forschungsstätte einzurichten, die das Panorama der einheimischen Forschungseinrichtungen ergänzt?
A. Kompatscher: Die Akademie deutsch-italienischer Studien genießt seit vielen Jahren im akademischen Bereich großes Ansehen. Sie ist heute bereits ein wichtiger Teil der universitären Einrichtungen unseres Landes. Wir liegen für solche in einer attraktiven Region, dies beweist nicht zuletzt die Akademie in Meran mit ihren Schwerpunkten. Neue Forschungs- oder Lehrstätten sind derzeit nicht geplant. Jede Zusammenarbeit zwischen den bestehenden Strukturen ist aber auf jeden Fall begrüßenswert und eine stärkere Kooperation mit der Universität Bozen mit Unterstützung des Landes ist bereits vereinbart.
MS: Die Landesregierung hat in den letzten Jahrzehnten den Meraner „Well-Being-Bereich” (Thermen, Gärten von Schloss Trauttmansdorff, Meraner Musikwochen usw.) finanziell gefördert. Bleibt das Engagement erhalten?
A. Kompatscher: Die Therme Meran und die Gärten von Schloss Trauttmansdorff sind Landesstrukturen; sie haben – nach den Jahren des fortschreitenden Hotelsterbens – wesentlich zum touristischen Aufschwung von Meran beigetragen. Die Investitionen sind sicher nachhaltig. Trotzdem müssen diese „Betriebe“ sich nun selbst am Markt behaupten und in diesem Sinne wird derzeit ein Weiterentwicklungskonzept erarbeitet. Wir stehen nach wie vor dahinter – auch hinter Veranstaltungen wie den Meraner Musikwochen, wenn auch die finanziellen Zuwendungen sicher nicht mehr werden.