Luxushotel – Unfallklinik – und heute?
Im Frühling 2023 von Veronika Rieder
Wer heute vor dem verwaisten Gebäude der früheren Böhler-Klinik steht, kann vielleicht noch einige Spuren des bis 1957 als luxuriöser Beherbergungsbetrieb bekannten „Parkhotel“ erkennen. Der Bauherr Hermann Panzer stammte aus Deutschland und arbeitete zunächst in San Martino di Castrozza. Dort war er ab 1883 Pächter des „Alpenhotel“, das nach seiner Erweiterung „Hotel Panzer“ genannt wurde. Später errichtete er daneben das „Dolomitenhotel“ und eröffnete 1907 das Hotel „Fratazza“, in dem Arthur Schnitzlers Novelle „Fräulein Else“ spielt. Damals gab es in San Martino nur Sommersaison, deswegen pachtete Hermann Panzer 1890 die „Villa Viktoria“ (später Hotel Victoria) in Meran. Schon damals galt er als Pionier des Tourismus und seine herzliche Gastfreundschaft wurde gerühmt. 1897 ersteigerte er von der Gemeinde Obermais einen Bauplatz in der Maria-Trost-Straße 15 (heute Schafferstraße 76). Bereits am 15. Jänner 1899 eröffnete er hier das luxuriöse „Parkhotel“. Dieses beherbergte im Laufe der Jahre berühmte Gäste, unter ihnen den Fürsten Liechtenstein und den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. Eine Werbebroschüre für das „Parkhotel Obermais Meran“ mit Dependancen „Parkvilla“ und „Villa Warmegg“ preist geheizte Zimmer an, die meisten mit Balkon, einige davon sogar mit „Badecabinet modernster Art“. Eigens hervorgehoben werden die großen Gärten „in sonnigster, staubfreier und ruhiger Lage des Villen-Viertels“. Die Fotos zeigen große, reich ausgestattete Räume. Während des 1. Weltkriegs stellte Herr Panzer Zimmer für Offiziere und Soldaten zur Verfügung.
Nach seinem Tod 1923 führten zunächst seine Frau und seine Söhne das Hotel gemeinsam weiter, ab 1930 nur mehr sein Sohn Otto. Dessen Frau, Nanni Wallemberg Lybeck, hatte es für ihren Mann gekauft. 1943 wurde das Parkhotel teilweise beschlagnahmt und dem SS-Kommando übergeben. Mussolinis Geliebte Claretta Petacci stieg mehrfach hier ab. Das Hotel beherbergte auch die japanische Botschaft, nachdem diese 1943 Rom verlassen musste. Die Familie Panzer-Lybeck hatte engen Kontakt mit hohen deutschen Offizieren, unter ihnen SS-General Kurt Wolff, und Personen, die dem faschistischen Regime nahestanden. Von Magnus Lybeck (Nannis Sohn aus erster Ehe) wird vermutet, dass er eine gewisse Rolle im Widerstand spielte; so soll er Verbindung zu De Angelis und den Partisanen gehabt haben. Otto Panzer war hingegen während der deutschen Besatzung wegen seiner Zugehörigkeit zum italienischen Militär in Ungnade gefallen. Teile des Hotels waren Lazarett des Deutschen Roten Kreuzes, nach dem Krieg diente es als Sammelstelle für italienische Soldaten, die aus Russland und Deutschland zurückkehrten.
1947 wurde das Hotel an Otto Panzer zurückgegeben, aber besonders die Innenräume und die gesamte Einrichtung waren so stark beschädigt, dass er sich außerstande sah, die erforderliche riesige Summe für die Renovierung aufzubringen. Abgesehen davon hätten auch verschiedene der Zeit entsprechende Veränderungen vorgenommen werden müssen, z.B. im sanitären Bereich. Daher nahm „commendatore“ Panzer schließlich schweren Herzens Verhandlungen mit dem INAIL (Istituto Nazionale Assicurazioni Infortuni sul Lavoro) auf. Aus dem Hotel sollte eine moderne Klinik für Behandlung und Rehabilitation von Patienten entstehen, die Arbeitsunfälle erlitten hatten. Kurz nachdem er den Verkauf abgeschlossen hatte, starb Ott Panzer im Frühjahr 1957. Der Redakteur des Alto Adige lobt im Nachruf sein großes Engagement für die Meraner Bürgerschaft und insbesondere den Tourismus.
Für die Zwecke einer Unfallklinik sollte das Hotel umgebaut und durch Zubauten erweitert werden. Die Gesamtkosten wurden mit 300 Mio. Lire veranschlagt; dazu kamen 100 Mio. für den Ankauf des Hotels und der angrenzenden Flächen. Die neue Klinik sollte das bisherige kleine Zentrum für Traumatologie in der „Villa Tivoli“ ablösen und durch Einrichtungen für Genesung und Rehabilitation wie Gymnastikräume und ein großes Schwimmbad ergänzen. Zeitungsberichte heben mehrfach Kuren mit radioaktivem Wasser hervor, damals italienweit eine Neuheit. Der bisherige Besitzer des „Tivoli“, Dr. Kratter, hatte seine Einrichtung an das Unfallinstitut vermietet und führte diese bis zur Eröffnung der neuen Klinik weiter.
Für die im INAIL vorgesehenen ca. 200 Zimmer und den gesamten Betrieb brauchte es insgesamt etwa 100 Personen. Die Meraner hätten – so Zeitungsberichte – die Nachricht von der Errichtung einer Klinik gut aufgenommen, weil man insbesondere für die tote Saison im Winter auf einen „Rehatourismus“ hoffte und andererseits die etwas abseits liegende Einrichtung die eigentliche touristische Saison nicht behindern würde. Offenbar sorgten sich einige Hotelbesitzer vor dem Image einer Stadt der Kranken.
Die 1957 eröffnete Klinik erhielt den Namen „Lorenz Böhler“. Der berühmte Unfallchirurg (1885-1973) lebte damals noch und hielt sich auch wegen seiner aus Bozen stammenden Frau öfters in Südtirol auf. Er hatte während und nach dem ersten Weltkrieg begonnen, eigene Behandlungsmethoden für Knochenbrüche zu entwickeln und gab sein Wissen und seine Erfahrungen als Leiter der Wiener Unfallklinik, als Universitätsprofessor sowie in über 400 Abhandlungen weiter.