Niedertor mit Gefolge - Zustände wie im Mittelalter
Im Winter 2015 von Waltraud Holzner
Die Vereinsgründung beruht auf der Begeisterung für das Mittelalter
Im Jahr 2008 schlossen sich fünf Südtiroler zusammen, die sich brennend für das Mittelalter interessieren. Mit großem Eifer und viel Begeisterung machten sich die Gründungsmitglieder an die Arbeit. Man einigte sich, die hierzulande sehr bewegte Zeitspanne von 1391 bis 1417 genauer unter die Lupe zu nehmen. Der neu gegründete Verein wählte aus historischen Gründen die Burg Neuhaus oberhalb Terlan als historischen Bezugspunkt und einigte sich auf den Namen „Niedertor mit Gefolge“. Die Burgruine ist jetzt im Besitz der Familie Graf von Goes-Enzenberg. Im Abstand von zwei Jahren inszeniert dort der Verein „Niedertor mit Gefolge“ einen Einblick in das spätmittelalterliche Leben auf einer Burg.
Landesfürst Friedrich IV., bekannt als „Friedl mit der leeren Tasche“, gibt der Kleinadelsfamilie Niedertor die Burg Neuhaus bei Terlan als Lehen
Die Niedertor waren eine alteingesessene Kleinadelsfamilie aus Bozen mit größeren Besitzungen in Terlan und Deutschnofen. 1391 traten nach dem Tode des Arnold von Niedertor die Söhne Petermann, Sigmund und Veit das Familienerbe an. Schon wenige Jahre später starb der älteste Sohn Petermann und Sigmund und Veit verwalteten von nun an gemeinsam den Besitz.
In den nachfolgenden Jahren tat sich sehr viel in der Grafschaft Tirol und ihren umliegenden Gebieten. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde Tirol von einer schweren inneren Krise erschüttert.
Die aufstrebende Bürgerschaft in den Städten, aber auch der Bauernstand forderten selbstbewusst die Einhaltung verbriefter Rechte. Sie beriefen sich auf die als „Magna Charta“ bekannte Urkunde, den „Großen Freiheitsbrief“, der bis heute als Fundament der Tiroler Freiheit gilt. Der habsburgische Landesfürst, Herzog Friedrich IV. und Leopold IV., der zu diesem Zeitpunkt noch sein Mitregent war, schoben der immer stärker um sich greifenden Unterdrückung der Bauern seitens der adeligen und kirchlichen Grundherrn einen Riegel vor, indem sie 1404 eine neue Landesordnung erließen und damit große Weitsicht bewiesen.
Allerdings sahen die einflussreichen Adelsfamilien ihre Machtposition durch diese neuen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Tendenzen gefährdet. Unruhen und Aufstände gegen den Bischof von Trient und die Revolten mehrerer Tiroler Adelsfamilien gegen ihren Landesfürsten, Friedrich IV., der als „Friedl mit der leeren Tasche“ bekannt wurde, prägten diese Zeit. Vor allem die sehr mächtigen Familien der Rottenburger und Starkenberger wurden dabei vom Landesfürsten entmachtet. Es kam auch immer wieder zu kleineren und größeren Auseinandersetzungen und viele Burgen, wie die Laimburg, Schenna, Leuchtenberg, Caldiff, Hochgalsaun u.a. wurden belagert.
In dieser unruhigen Zeit versuchte der Landesfürst, sich getreue Gefolgsleute zu sichern. Es wird daher wohl kein Zufall gewesen sein, dass die Brüder Sigmund und Veit von Niedertor im Jahre 1417 die Burg Neuhaus bei Terlan als Lehen und dauernden Besitz erhielten.
Spätmittelalterliche Dinge erzählen von der bewegten Geschichte dieser Zeit
Aus der Zeit des ausgehenden 14. Jahrhunderts und vom Anfang des 15. Jahrhunderts ist im Gebiet des alten Tirol sehr viel erhalten geblieben, was Auskunft über die damaligen Lebensumstände geben kann.
Vor allem die vielen wunderschönen Wandmalereien in und an sakralen und profanen Bauten erzählen bunte Geschichten. Übrigens stammen die herrlichen Fresken in der Terlaner Pfarrkirche aus dieser Zeit. Wer genau hinschaut, bekommt interessante Einblicke in das mittelalterliche Leben und Treiben. Architektur, Mobiliar, Kleidung, Gebrauchsgegenstände und vieles mehr sind dargestellt. Auch viele Urkunden und Urbarbücher, Gerichtsakten und Verträge geben Antwort auf Fragen zum Sozialwesen und zu den wirtschaftlichen Gepflogenheiten in dieser bewegten Zeit.
Die Vereinsmitglieder schlüpfen in die Identitäten der Familie Niedertor und ihres Gefolges
Mittlerweile ist der Verein „Niedertor mit Gefolge“ auf 19 Mitglieder plus zwei Buben angewachsen, die sich den drei Hauptaufgaben des Vereins widmen: recherchieren, rekonstruieren und erklären. Die Personen, in deren Aufzug sich die Mitglieder präsentieren, haben real gelebt, was die niedrigen Stände betrifft, weiß man aber wenig über sie. Es wird versucht, das Leben und Treiben der kleinadeligen Tiroler Familie Niedertor samt Schreiber, Waffenknechten, Handwerkern, Baderin und Mägden möglichst wirklichkeitsnah nachzustellen.
Sigmund von Niedertor entstammt einer Bozner Kleinadelsfamilie, die am Niedertor der Handelsstadt Bozen ihren Sitz hatte. Im ausgehenden 14. Jahrhundert erwarb die Familie das Gericht Neuhaus und das halbe Gericht Deutschnofen als Lehen. Sigmund war um 1400 mit Margareth von Villanders verheiratet. Er wird von Reinhold aus Terlan dargestellt. Reinhold ist Biologe und Obmann des Vereins.
Hans von Werberg war ein Kleinadeliger und hatte seinen Sitz auf der Wehrburg bei Prissian. Durch zahlreiche Familienstreitigkeiten ist sein Besitz zusammengeschrumpft und so war er auf einen Nebenerwerb angewiesen. Er verwaltete als Amtmann Teile der niedertorschen Güter. Außerdem war er Vormund von Sigmunds minderjährigem Bruder Veit und war mit Ursula von Atz verheiratet. Dargestellt wird Hans von Armin aus Missian, einem Archäologen, und Ursula von Atz, seine Gemahlin aus dem Nonstal, von der Historikerin Sonja aus Verdings.
Peter, der Schreiber, wird in einer Urkunde um 1400 erwähnt. Ein Politologe und Historiker spielt diese verantwortungsvolle Rolle. Und Toni, eigentlich ein Arzt aus Bozen, ist in die Rolle des Jägers geschlüpft und versorgt die Burgbewohner mit Wildbret.
Urban, ein Wirtschaftswissenschaftler aus Lana, mimt einen Waffenknecht, der für die Verteidigung, für die Waffenkammer und für die Knappen Hannes und David aus Terlan zuständig ist.
Gertrud, die Baderin, beschäftigt sich mit Heilkräutern, Mixturen und Salben. Das Badhaus im Besitz der Niedertor ist mehrfach in Urkunden erwähnt. Dargestellt wird das heilende Wesen von der Krankenpflegerin Micha aus Bozen.
Auch Veronika ist Krankenpflegerin und übernimmt im Verein die Rolle einer Kammerzofe, die sich auch mit Sticken und Nadelbinden beschäftigt.