Schloss Rametz
Geschichte und Geschichten rund um den Wein
Im Herbst 2016 von Dr. Johannes Ortner
Eingebettet in eine Bilderbuchlandschaft aus Weinreben liegt Schloss Rametz. Am Rande des Obermaiser Villenviertels gelegen, tritt das Ensemble gemeinsam mit den Nachbarschlössern Labers und Trauttmansdorff in einen harmonischen architektonischen Dialog. Die sanften Hügel aus Moränenschutt, welche die abtauenden Eiszeitgletscher zu Weinbergen modellierten, gehen unmerklich in die Anhöhen von Labers über.
Der Name Rametz
Rametz ist der alte Name des Noafbachs, nämlich alpenromanisch *rü (de) mezzo „Mitterbach“, und der Noafbach hat dort wirklich seinen Mittellauf! Schon 1227 gewährte Ulrich Graf von Ulten dem Kloster Steingaden jeden dritten Werktag das Fließwasser aus Rumetz zu benützen, damit das Kloster seine Weingärten und Gründe in Hagen bewässern konnte. 1269 ist der Hof zu Rumetz, den die in Ulten begüterten Grafen von Eschenlohe aus Bayern besitzen, genannt, 1327 tritt uns ein Chunrad Rumetzer, 1365 der Meraner Richter Johannes, genannt der Rometzer entgegen. 1394 ist die Rametzmühle, heute Klementenmühle, als molendinum Rumetzerinne, die Wasser aus der rippa Rumecz bezieht, genannt. 1417 ist Jacob Rametzer Dorfmeister in Obermais. Aber älter und wichtiger als alle Richter und Dorfmeister war und ist das Wasserwasser aus dem Bach Rumetz!
Der Mann im Hier und Jetzt ist ein anderer: Stanislaus Schmid, Sohn des Besitzers Karl Schmid und ein sportlicher, eloquenter junger Mann, ist der Geschäftsführer und ausgebildeter Önologe. Gemeinsam mit seiner Schwester Brigitte bildet er Kopf und Herz des Erlebnisbetriebs Rametz.
Der Boden
Spricht er von seinem 10 Hektar großen Weingut, gerät Stanislaus Schmid ins Schwärmen. Beginnt doch alles, was an Bouquet im Wein vorhanden ist, im Boden. Und dieser trockene Moränenboden hat’s in sich, denn er besteht aus verwittertem Granit, Sandstein und Porphyr: eine geologische Visitenkarte des „Noafgröbens“! Dazu gesellt sich noch der Gneis vom Alpenhauptkamm. Sandiges Material, so Stanislaus Schmid, sorgt für den Körper im Wein und ein hoher Sand- und Lehmanteil von über 20 % speichert die Wärme und ist für Rotweinsorten geradezu ideal.
Namen und Weine
Die Weinlagen sind nach Südwesten geneigt, durch Trockenmauern gestützt und dadurch terrassenförmig angelegt. Die Flurnamen des kleinräumigen Geländes erzählen von der Geländeform: die Ebene und ’s Loch und von der Lage der Schlossacker, von der Rodung ’s Vogelraut, von der Form der Råppnschnobl, von der Anzahl der Rebreihen die Zwanziger oder die Nainer und vom flüsternden, schnurrenden Wind: die Windschnur. Die Kombination aus Luft, Moränensand und Exposition ergeben eine besondere Weinformel, die für aromatische Weißweine wie gemacht erscheint. Hervorzuheben sind die Leitsorten Gewürztraminer, der Sauvignon und von den Rotweinen der Blauburgunder, der im 19. Jahrhundert hier zum ersten Mal angebaut wurde, heute prämierte Qualitätsweine.
Unbill der Natur
Aber was man im Schweiße seines Angesichts mühevoll errichtet hat, dass kann die Natur binnen kürzester Zeit vernichten. Zwei rasch aufeinander folgende Unwetter im August 1902 ließen den „Noafgröben“ ausbrechen, sodass es zu großen Verwüstungen in Ober-, Untermais und Hagen kam und zu drei Todesfällen, zwei infolge des Einsturzes der Valentiner Brücke. Die Zerstörung war so groß, dass Schätzungen einen Ernteausfall von sechs Jahren für die Rametzer Weingüter feststellten. Zahlreiche alte Edelkastanienbäume mussten daran glauben, die Kastaniengasse erinnert noch daran!
Monreale
Mit Castel Monreale (Königsberg) in der Gemeinde Faedo südlich von Salurn besitzt die Familie Schmid zusätzliche, ausgedehnte Weingüter, mit 20 Hektar doppelt so groß wie Rametz. In der Tenuta im Trentino werden die Rebsorten Chardonnay, Weißburgunder sowie der Schwarzriesling angebaut. Aus diesem Grundwein wird sogar ein Sekt hergestellt, auf Rüttelpulten handgerüttelt und in Rametz gekeltert. Ein Meraner Sekt!
Franz Flarer baut sich sein Schloss
Im Jahre 1840 erwarb Professor Franz Flarer, Augenarzt aus Tirol, Schloss Rametz vom Churischen Ministerialen Rudolf von Planta, dessen Vorfahren im Zuge der Reformation aus Graubünden an die westliche Bistumsgrenze nach Meran flohen.
Franz Flarer bewohnte Rametz im Sommer und ließ den bäuerlichen Gutshof zum heutigen Schloss umbauen. Er umgab den Innenhof mit einer einheitlichen Fassadengestaltung mit südseitiger Loggia und arkadenartigen Rundbogenfenstern. Typisch für Rametz ist der Schwalbenschwanz-Zinnenkranz, der Torrisalit sowie der Viereckturm mit Zinnen. An den Wohntrakt wurde ein Ecktürmchen angebaut und an den Verbindungsbau zum Viereckturm eine Holzveranda. Im Schlossinneren ließ Flarer einen Ballsaal einrichten. Seit 1951 steht Schloss Rametz unter Denkmalschutz.
Franz Flarer betrieb in Padua und in Pavia eine Augenklinik ‒ ihm zu Ehren gibt es in Pavia eine Via Flarer! Nach seinem Tod 1863 verkauften die beiden Töchter Flarers Rametz, sie hatten keinen Bezug zum Tiroler Raum. Erworben hat das Schloss Johann Boscarolli, ein Adeliger aus Trient, der aber auf einer Reise nach Böhmen einen Schlaganfall erlitt und in Meran verstarb.
Friedrich Boscarolli – der Weinpionier
Friedrich Boscarolli, der erst 19-jährige Sohn Johanns, übernahm den Betrieb, war damals eher kaufmännisch orientiert und wurde zuerst belächelt. Er erwarb sich jedoch Grundkenntnisse in der Weinbauschule Weihenstephan in Freising, unternahm eine Weinbildungsreise nach Schloss Johannesberg im Rheingau und studierte die Erziehungsform für Weinreben auf Drahtrahmen. Diese eignet sich besonders für den Rheinriesling, Grau- und Blauburgunder, weniger für den Vernatsch und Muskateller, die ‒ der Tiroler Tradition folgend ‒ nach wie vor in Perglbauweise erzogen werden. Der Junge hat gelernt: Die Qualität von Blauburgunder und Gewürztraminer führte dazu, dass Boscarolli k.u.k. Hoflieferant am Wiener Kaiserhaus wurde. Eine Qualität, welche die heutigen Riserva- und Barrique-Weine zweifelsohne gehalten haben.
Friedrich Boscarolli ist aber auch in Bezug auf die Reblaus in die lokale Weinbaugeschichte eingegangen. In Südtirol war es nämlich Rametz, wo das erste Vorkommen der Reblaus am 03.07.1901 dem Landwirtschaftsministerium Tirol gemeldet wurde, am selben Tag verkündete der Minister Baron Spiegelfeld: Auch das Heilige Land Tirol ist von der Reblaus befallen! An der Villa Funchal hatte der Besitzer ausgetrocknete Reben bemerkt. Diese wurden vom Sohn Friedrichs, Ernst Boscarolli, und einem Tagelöhner ausgegraben, mit einem Kutschergespann nach San Michele zur Landwirtschaftsschule gebracht, wo der Reblausbefall bestätigt wurde. Die Reblaus, ein Schädling aus Amerika, der im Boden lebt, die Wurzeln anknabbert und die Eier in die Nährkanäle legt, wurde 1864 zum ersten Mal in Como festgestellt.
Der Reblaus Herr wurde man schließlich, da man bemerkte, dass der wilde Wein (vitis lambrusca) nicht befallen wurde. Auf diese Grundlage wurde die europäische Rebe (vitis vinifera) aufgepfropft.