Speisen wie Gott in Frankreich am ehemaligen Henkerstor
Im Sommer 2013 von Gudrun Esser
Alles andere als Henkersmahlzeiten durften die Gäste des Restaurants Sigmund in den vergangenen Jahrzehnten genießen, doch war es an der Zeit, den Gaumenfreuden ein angemesseneres Ambiente zu geben. Deshalb nahmen die Nachkommen der einstigen Metzgerei am Bozner Tor den Umbau und die Renovierung in Angriff.
Anna und August Sigmund, die Groß- bzw. Urgroßeltern der heutigen Eigentümer, eröffneten bereits um 1930 das Restaurant. Der viermonatige Umbau brachte jedoch weit mehr Historie zutage, welche auch künftig in der Architektur deutlich ablesbar sein wird. Das Gebäude gehörte zu den Grundfesten der einstigen Hauptstadt Tirols. Es war Teil der Stadtmauer, welche die Grafen von Tirol im 13. Jahrhundert errichten ließen.
Mit dem Umbau und der Renovierung des Restaurants wurden auch 800 Jahre Geschichte wieder sichtbar gemacht.
Ab Jänner dieses Jahres wurden die Pläne von Architekt Wolfram H. Pardatscher in stets intensiver Zusammenarbeit mit den Eigentümern und allen am Umbau beteiligten Unternehmen umgesetzt. Den Bauarbeiten ging eine intensive Planungsphase voraus, um, den historischen Wert des Gebäudes sensibel berücksichtigend, den Bedürfnissen von heute entsprechen zu können.
Dafür war auch die intensive Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt eine wichtige Grundlage. Nicht selten gab es deshalb auch kontroverse Diskussionen mit Waltraut Engl Kofler und Heidrun Schroffenegger vom Landesdenkmalamt sowie mit Catrin Marzolli vom Amt für Bodendenkmäler. Den Arbeiten ging auch eine profunde, bauhistorische Untersuchung durch den Bauhistoriker Stefan Wörz voran.
Die Grund- und Kellermauern stammen aus dem 13. Jahrhundert. Das Bozner Tor wurde nach 1300 erbaut. Im Gebäude selbst befinden sich jahrhundertealte Treppen, Balkendecken, Türen und Fenster. Die Vertäfelung der Stube jedoch wurde aus der Nachbargemeinde Tscherms „importiert“. August Sigmund erwarb die Gaststätteneinrichtung beim „Seidl“ und ließ sie in der heutigen Henkersstube einbauen. Während des Umbaus wurden sowohl die Vertäfelung samt Einrichtung als auch die Fresken von Morandel aus den vergangenen 30er-Jahren restauriert bzw. freigelegt und saniert.
Ein diese Häuserzeilen auf kuriose Weise vereinendes Element ist der Stadtbach, der unterhalb der Gaststube verläuft. Architekt Pardatscher ließ diesen in Stahl fassen, um so noch mehr Lagerraum für das Restaurant zu schaffen.
Kurz vor Abschluss der Umbauarbeiten waren es vor allem zwei Dinge, die das Interesse der Passanten weckten: Zum einen wurden zwei stattliche Kastanienbäume gepflanzt, die ihre kranken, alten Vorfahren ersetzen. Im Einvernehmen mit Anni Schwarz von der Stadtgärtnerei fanden die Besitzer diese die Natur und Architektur schmeichelnde Lösung. Auch wenn die beiden riesigen Vorfahren beeindruckend waren, überschatteten sie stets das Antlitz der „Schwarzen Madonna“, einem Fresko aus dem Jahr 1741. Mit seiner Reinigung machte Restaurator Markus Pescoller auch die Schrift wieder lesbar:
„Wundertätiges Gnadenbild zu Alten Oeting. Von Feuersbrunst und allem Unglück uns halte fern, dein Hilf uns schick.“