Die jungen Alten
Im Winter 2012 von Dr. Luis Fuchs
Das Europäische Parlament hat das Jahr 2012 unter den Leitspruch Active Ageing gestellt, also begehen wir heuer das Europäische Jahr für Aktives Altern. Wir sind aufgerufen, ein lebenswertes und aktives Leben auch in fortgeschrittenen Jahren zu führen.
Jeder will es werden, aber keiner will es sein, nämlich alt. Alle wollen wir möglichst alt werden, dabei aber fit sein, jung aussehen, geistig und körperlich leistungsfähig bleiben. Die Anti-Aging-Welle verspricht uns die ewige Jugend, wofür wir die stolzesten Preise zu zahlen bereit sind. Allerdings, ob wir wollen oder nicht, gegen das Altern können wir genau genommen gar nichts ausrichten, unbarmherzig lässt uns die Zeit altern. Einzig und allein wie wir mit dem Alter umgehen, können wir selbst in die Hand nehmen.
Senectus ipsa morbus hieß es bei den Römern: Das Alter selbst ist schon eine Krankheit. Dies ist in unserer Zeit keineswegs mehr zutreffend; beim Wort „alt“ müssen wir nicht gleich an „krank und gebrechlich“ denken. Wo endet jung, wo beginnt alt? Verunsichert sind wir erst recht, wenn wir „alt“ steigern. Wir kommen drauf, dass ein „älterer Mann“ noch nicht so alt ist wie ein alter Mann. Ebenso darf eine „ältere Dame“ noch nicht zu den alten Damen gezählt werden. Um der abwertenden Auslegung des Wortes „alt“ auszuweichen, umschreibt man die jungen Alten als neue Generation 60 plus. Auch als Best Ager bezeichnet sie die Werbung, wiederum ein Scheinanglizismus, mit dem nichts anderes als Menschen im besten Alter gemeint sind. Sie können sich darüber nur freuen, denn noch nie war alt sein so schön wie heute und noch nie hatten die Menschen so viel Zeit zum Altwerden. Die Werbung hat sie als kauffreudige Kunden entdeckt: Ihre Brieftasche sitzt locker, wenn sie von Angeboten an Reisen, Kultur, Sport und Wellness gelockt werden. Die Kosmetikhersteller haben die Schönheit des Alters entdeckt und werben bereits mit Pro Age statt mit Anti Age.