Die Lüge ist salonfähig
Im Sommer 2013 von Dr. Luis Fuchs
Es wird nie soviel gelogen wie vor einer Wahl, während eines Krieges und nach einer Jagd. Wer immer diese Aussage getätigt hat, es ist unbestritten, dass die Lüge auf den genannten Tummelplätzen fruchtbaren Nährboden findet. Zu welchen Auswüchsen die menschenverachtende Propaganda des Reichslügenministers Goebbels geführt hat, belehrt uns die Geschichte des Tausendjährigen Reiches. Harmlos belustigend finden wir dagegen, wenn die Waidmänner gehörig übertreibend in urigem Jägerlatein mit ihren Jagderfolgen auftrumpfen.
Hochkonjunktur haben auch die derzeit bei uns in Umlauf gesetzten Halb- und Unwahrheiten im Hinblick auf die Landtagswahlen; mit anonymen Briefen wird beispielsweise ein hds-Exponent auf übelste Art verleumdet. Lug und Betrug scheinen auch in Italien Spekulationen auf Neuwahlen anzuheizen. Wenn der Cavaliere den Steuerbetrug leugnet und nach Verurteilung sich zudem als Märtyrer der Justiz ausgibt, kommt es einer Lüge im Superlativ gleich. Es kann sein, dass sich der Cavaliere an der Doktrin Machiavellis orientiert: Der Fürst soll sich zur Wahrheitsliebe bekennen, aber nicht etwa, weil er sich an ihr ausrichtet; nur um den Ruf, wahrheitsliebend zu sein, muss er sich kümmern. Dieselbe Einstellung war schon im mittelalterlichen Spruch präzisiert: „Mundus vult decipi, ergo decipiatur“ – „Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen werden.“ Unmissverständlich hat sich auch der Dichter Karl Waggerl geäußert: „Es gibt redliche und unredliche Politiker. Die unredlichen täuschen das Volk über ihre wahren Absichten. Die redlichen täuschen sich selbst.“ Der Philosoph Ortega y Gasset verteidigt sogar das zwiespältige Verhalten des Politikers: „Lügen, mindestens innerhalb gewisser Grenzen, ist seine Pflicht.“
Aufschlussreich sind hierzu die Ergebnisse einer HÖRZU-Umfrage: 88 Prozent der Deutschen glauben, dass Politiker lügen und zwei Drittel der Befragten meinen, dass es für Politiker manchmal notwendig ist, zu lügen.
Der Satiriker Karl Julius Weber zeigte volles Verständnis für die Politikerlüge: „Der einzige Trost ist, dass Lügen vielen Menschen Brot geben und niemand gezwungen ist, sie zu glauben.“