Was Hänschen nicht lernt ...
Im Herbst 2012 von Dr. Luis Fuchs
„Wir müssen den Jugendlichen anfangs lernen, zu grüßen, Menschen zu siezen, die Grundlagen der Körperhygiene wie tägliches Zähneputzen beibringen“, berichtete kürzlich die Leiterin der Sozialgenossenschaft EOS in der Südtiroler Tageszeitung. Alle Achtung vor deren Einsatz beim Betreuen sog. Problemkinder und Jugendlicher auf dem Weg in die Arbeitswelt! In diesem Zusammenhang fällt wohl kaum auf, dass es eigentlich heißen sollte: „Wir müssen die Jugendlichen anfangs lehren zu grüßen.“ Es gilt zwischen „lehren“ und „lernen“ zu unterscheiden: lehren heißt, jemanden wissend machen, lernen hingegen, selbst wissend werden. Ein Schüler lernt das, was der Lehrer ihn lehrt. Das Verb „lehren“ verlangt den 4. Fall. Meine Lehrerin hat mich (nicht mir) dazumal gelehrt, zwischen Akkusativ und Dativ genau zu unterscheiden.
Sogar der ehemalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber soll gesagt haben: „Wir müssen den Ausländern richtiges Deutsch lernen!“ Gerade ein belehrender Politiker sollte selber zwischen lernen und lehren zu unterscheiden wissen. Manchen Bildungspolitikern scheinen die Wörter lehren und lernen nicht mehr zeitgemäß zu sein. So haben sie auch den Lehrling zum Auszubildenden umgetauft, ein Wort, das in abgekürzter Form zum Zungenbrecher Azubi verkommen ist. Zum Glück ist bei uns der Lehrling der ursprünglichen Lehre treu geblieben. Lehre ist, wenn mindestens einer lehrt und einer lernt; Lehre ist Lernen und Lehren zugleich. Dass der Lehrling nicht ohne den Meister auskommt, hat schon Goethe im Zauberlehrling zu verstehen gegeben. Wenn einer durch Unerfahrenheit Schaden erleidet, so heißt es auch heute noch, er habe Lehrgeld zahlen müssen.
Im Bemühen, Frauen und Männer in der Sprache gleichzustellen, können wir auch die umständliche Kurzform Schüler/-innen durch Lernende ersetzen, ebenso können wir Lehrer/-innen einfach als Lehrende bezeichnen.