Ein neues Pfingsten für die Kirche
Im Frühling 2016 von Tobias Degasperi
In diesen Tagen nach Ostern haben in vielen Pfarreien Erstkommunionfeiern stattgefunden. Die Kirchen waren voll, die Stimmung gut und überall waren junge Menschen und Familien zu sehen. Ähnlich ist es (noch) bei sakramentalen Feiern, wie etwa Firmung, Taufe und Hochzeit. Über diese Zeremonien und Feiern hinaus sieht es allerdings ganz anders aus. Da sind unsere Kirchen teilweise nur halb gefüllt, meistens nur (und trotzdem: Gott sei Dank!) ältere Menschen im Gottesdienst und wie schwer ist es mittlerweile, Mitarbeiter in den Pfarreien zu finden. Was ist aus der sogenannten Volkskirche geworden? Besteht das Volk Gottes nur mehr aus Gelegenheitschristen? Oder sind gar nur mehr ältere Menschen „Glieder“ am Leib Christi, der die Kirche ist?
Diese Frage lässt sich nur schwer beantworten, weil die Zugehörigkeit zur Kirche nicht allein an der Teilnahme an den Gottesdiensten und dem Leben der Pfarre festzumachen ist. Allerdings sind diese Elemente wesentliche Fundamente der kirchlichen Gemeinschaft. Ein theologisches Prinzip besagt, dass die Kirche „so betet, wie sie glaubt und so glaubt, wie sie betet“ (lex orandi, lex credendi). Wenn nun jedoch das Gebet der Kirche (= Liturgie) nur mehr zu bestimmten Anlässen eine Rolle für den Großteil der getauften Christen spielt, dann spielt auch der Glaube nur mehr eine Nebenrolle im Leben der Menschen. Da können auch beliebte Ausflüchte wie „Ich bete anderswo viel besser“ oder „Ich habe schon meinen Glauben“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass das gemeinsame Glaubensgut der Kirche und damit einhergehend das gemeinsame Gebet den Alltag der Menschen nicht mehr erreichen. Die Kirche bietet hauptsächlich noch „Dienstleistungen“ an, wo der Anlass die Zeremonie bzw. den Ritus bestimmt und der Glaube, der über Jahrhunderte unser Leben bestimmt hat, nebensächlich ist.
Wenn wir nicht rechtzeitig die Kehrtwende schaffen zu dem, was Christus mit seiner Kirche vorhat, dann braucht es die Kirche nicht mehr. Nur wenn der wichtigste Auftrag, den der Herr an seine Jünger gegeben hat, wahrgenommen wird, nämlich das Evangelium allen zu verkünden, wird die Kirche weiterhin die Herzen der Menschen erreichen. Nur wenn der Glaube der Kirche authentisch gelebt wird, kann er den Alltag der Menschen verändern. Nur wenn die Botschaft der Gottes- und Nächstenliebe praktiziert wird, werden andere Menschen sich anstecken lassen. Nur wenn Jesus Christus gepredigt wird und nicht die eigenen Gedanken, wird der Funke überspringen. Nur wenn die Sakramente als Heilmittel und Kraft in allen Lebenssituationen eines Menschen erfahrbar werden, werden sie aus ihrem Schattendasein herauskommen. Menschlich gesehen wird es schwierig, in „alten Schläuchen neuen Wein“ zu bekommen. Doch Gottes Wirken ist größer und vielseitiger als wir es ausmachen. Der Geist Gottes wird auch in unseren Tagen den Gliedern am Leib Christi neues Leben einhauchen. Dafür steht Pfingsten, dazu steht Gott, der uns nicht im Stich lässt!