Erholung in der Lazag
Im Frühling 2016 von Dr. Johannes Ortner
Der Obermaiser Volksmund weiß es ganz genau: Die Lazag beginnt hinter dem Weißen Kreuz! Wie ein Keil schiebt sie sich zwischen die Schenner Weinleiten und die Tiroler Purenwiesen, von diesen durch die Passer getrennt. Die Lazog, wie der Volksmund sagt, hat einiges zu bieten: eine Geschichte, die vor die Ankunft der Römer zurückreicht, eine Naherholungszone am linken Saum der Passer, einen Radweg, Obstanlagen der Obermaiser Bauern und ein ruhiges Wohnviertel.
Der vorrömisch anmutende Name ist früh schriftlich belegt: 1290 acker in Lutzag, 1369 ad Lutzage, 1390 leit in Lutzag. Die indogermanische Wurzel *lut- oder *(s)leut- bedeutet etwa „kotig-fruchtbares Gelände“, die Endung -ago bzw. -agu erinnert an keltische Ortsnamen aus der Eisenzeit. Und die jüngere Eisenzeit hat in der Lazag ihre Spuren hinterlassen. Zahlreiche eisen- und römerzeitliche Münzfunde (2. Jh. v. Chr. ‒ 5. Jh. n. Chr.) bestätigen die strategisch günstige Lage dieser fruchtbaren Flurgegend am Knick zwischen dem Passeier und dem Etschtal. Bis zum 2. nachchristlichen Jahrhundert blieb dieser Knick die Schnittstelle zwischen dem Kerngebiet des Römischen Reichs (Regio X Italia et Histria) und den römischen Provinzen Raetia I und Raetia II.
Auch geologisch haben wir es mit einer Bruchlinie zu tun. Die periadriatische Naht, die geologische Grenze zwischen der europäischen und der afrikanischen Kontinentalplatte, verläuft exakt durch den Zenoburgfelsen und den kleinen Auwald, trennt den Granit vom Gneis!
Schwimm- und Freizeitvergnügen vor 100 Jahren
Von wirtschaftlicher Bedeutung war einst die Holztrift auf der Passer. Gleich hinter dem Wohnhaus der ehemaligen Tischlerei Zorzi unterhalb der Straße befand sich die Lazager Holzlände, wo das Holz aus der Passer „aufgeländet“, also an Land gezogen wurde.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Lazag jedoch in erster Linie ein Ort der Erholung und des Freizeitvergnügens: Entlang des Mühlwaals spazierte man am Freihof vorbei und kehrte in den Cafés Römergarten und Passerschlucht ein. Das rot angestrichene Wohngebäude der ehemaligen Restauration Passerschlucht ist in den letzten Jahren vorbildlich saniert worden. Einem Stück Alt-Obermais ist wieder Leben eingehaucht worden.
In der Lazag wurde jedoch auch dem Schwimmvergnügen gefrönt. Wer weiß denn noch, dass die Lazag sogar ein kleines Lido beherbergte? Beim Gasthaus Malpertaus am Ende des Lazagsteigs am Waal wurde im Jahre 1907 eine Schwimm- und Badeanstalt eingerichtet, ein klassisches Ausflugsziel mit Schwimmbad, Spielplatz, Liegewiese und eben Gasthaus. Neugierigen Blicken entzogen sich die Schwimmenden durch einen hohen Palisadenzaun. Nach einer zehnjährigen Unterbrechung nach dem Ende des 1. Weltkriegs öffnete das inzwischen Schwimm- und Sonnenbad Larcher genannte Privatbad 1929 neu. Das Baden war zwar vier Mal teurer als im Meraner Lido, lag aber im frischen Grün, wurde gut geführt, hielt von 8 bis 22 Uhr geöffnet und schien regelrecht überfüllt gewesen zu sein.
Naherholungszone Lazag
Eine kleine Kostbarkeit in der Lazag am orografisch linken Passerufer bildet das kleine Auwald-Biotop, das von der Stadtgemeinde Meran betreut wird. Dieser Wasserwald ist das letzte Überbleibsel des ehedem weitläufigen Überschwemmungsgebiets der Passer. Das Passerbett wurde ja in den 1970er Jahren eingeengt, die ökologisch hochwertigen Schotterbänke in Apfelanlagen umgewandelt. Das alte Bachbett ist als deutliche Geländesackung heute noch wahrzunehmen. Den Meranerinnen und Meranern ist dieser Auwaldrest mit Fischteich unter dem Vulgonamen „beim Passer-Fritz“ geläufig.
Zum Auwald-Biotop gelangt man von der Sommerpromenade über den Lazagsteig, die Passeirer Straße unterquerend, vorbei an riesenhaften Pappeln und dann auf dem Rad- und Spazierweg nach einigen hundert Metern.
Der Auwald wurde in den Jahren 2003/2004 durch eine Serie von Renaturierungsmaßnahmen als Naherholungszone aufgewertet und ist insgesamt 4,1 ha groß. Ein Naturlehrpfad erläutert an verschiedenen Stationen anhand von Informationstafeln die Entstehung und ökologische Funktion eines Auwalds. Viele Tafeln befinden sich in verwahrlostem Zustand, auch die Hinterlassenschaften in Form von Plastikflaschen beeinträchtigen das Bild. Da die Zone auch von Hundebesitzern genutzt wird, sollte ein für die Entsorgung des Hundekots geeigneter Abfalleimer mit Hundekotbeuteln direkt am Radweg aufgestellt werden. Für dürstende Radfahrerinnen, Jogger und Wanderer könnte ein Brunnen mit frischem Quellwasser errichtet werden, das Trinkwasser muss von den Freizeitsuchenden nämlich mitgeschleppt werden. Außerdem wird der Auwald von einem Obdachlosen als Wohnstatt genutzt.
Trotzdem – von Vogelgezwitscher begleitet durch kleine Aulichtungen an Wassergräben zu wandeln, über Holzstege und morsches Totholz zu steigen, ist eine Erholung für Auge, Ohr und Seele. Immer wieder öffnet sich das Dickicht zu kleinen Zugängen zu verbliebenen Schotterbankflecken am Pseirer Bach. Ein Naturparadies.
Teil der Naherholungszone ist ein 2.500 qm großer Fischteich mit anschließender Wiesenfläche, Sitzbänken und Grillmöglichkeiten, die zum Picknick einladen. Geburtstagsfeiern, gemeinsam zubereitete Speisen werden dort gerade auch von neuen Meraner Bürgerinnen zunehmend in Anspruch genommen.
Die sanft abfallende Böschung am Gleithang der Passer eignet sich für Zugänge aller Art. Flachwasserbereiche laden zum Plantschen ein und sind Voraussetzung für ein Naturerleben mit allen Sinnen. Auf Kinder wirkt die Vereinigung der Elemente Erde und Wasser in Form von Schlamm, geradezu anziehend. Zum Spielen braucht es keine Ungetüme aus Plastik! Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet sind Fußball und der unverwüstliche Federball.
Der Passer-Fritz
Eigentlich hieß er Friedrich Kaneider, wurde 1909 in Franzensfeste geboren und zog nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft mit seiner Frau Erna nach Meran, und zwar in die Au an der Passer. Das Auwiesl gehörte dem Tschomperbauern, der ihm erlaubte, dort eine Holzbaracke zu bauen, Hennen zu halten, einen Garten anzulegen und sogar einen kleinen Weiher aufzustauen. Dieser Weiher konnte mit Booten befahren werden, und war natürlich zum „wilden Baden“ da. Ein „Freiraum“ der Natur und der Gedanken ist entstanden!