Bedrohte Kulturgüter
Im Sommer 2023 von Dr. Luis Fuchs
Ein Tourist aus England hat Ende Juni seinen Namen und den seiner Freundin mit einem Schlüssel in das Mauerwerk des weltberühmten Kolosseums in Rom geritzt. Die Aktion, welche der Engländer als Liebesbeweis verstand, sorgte in Italien für große Empörung. Der Tourist, dem eine Geldstrafe von 20.000 Euro droht, entschuldigte sich mit der Ausrede, er habe nicht gewusst, wie antik das Monument sei. In einem Brief an den Bürgermeister richtete er seine „aufrichtigste und ehrlichste Entschuldigung an die Italiener und die ganze Welt“.
Mit ausdrücklicher Absicht attackieren dagegen meist jüngere Aktivisten weltberühmte Gemälde, um mehr Aufmerksamkeit für den Klimaschutz zu erlangen. Im niederländischen Kunstmuseum von Den Haag haben sich Klimaaktivisten an der Schutzscheibe des berühmten Vermeer-Gemäldes „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ festgeklebt und das Bild mit Tomatensoße begossen. Zwei Aktivisten wurden daraufhin zu zwei Monaten Haft verurteilt; das Gericht in Den Haag sprach bei der Urteilsverkündung von einer „schockierenden“ Tat. In der Londoner National Gallery haben zwei Aktivistinnen Van Goghs Gemälde „Sonnenblumen“ von 1888 mit Tomatensuppe beworfen. Das Bild mit einem Schätzwert von 84 Millionen Euro wurde bei der Attacke nicht beschädigt, es ist durch eine Glasscheibe geschützt.
Auch in Italien setzten sich letzthin Mitglieder der Gruppe „Ultima Generazione“ in Szene. Aktivisten sind in Rom in den weltberühmten Trevi-Brunnen gestiegen und haben schwarze Flüssigkeit in das Wasser gegossen. Bereits in der Vergangenheit hatten Aktivisten das Wasser des Barockbrunnens „Fontana della Barcaccia“ am Fuße der weltbekannten Spanischen Treppe schwarz gefärbt. Sie protestierten gegen die Klimapolitik der italienischen Regierung, die zu wenig für den Klimaschutz unternehme. Dies sei auch Ursache der Klimakrise, die in den vergangenen Wochen die Emilia-Romagna heimgesucht habe. Angesichts dieser Aktionen will Italiens Regierung Vandalismus an Kulturgütern mit einer Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 10.000 bis 60.000 Euro bestrafen. Mit der Beschädigung von Kulturgütern stößt die „Letzte Generation“ bei nicht wenigen Bürgern auf Unverständnis; sie könnte mit destruktivem Verhalten ihrem Ziel einen Bärendienst erweisen.
Die Unsitte, Wandgemälde mit Kritzelinschriften zu beschmieren, ist ganz und gar nicht neuzeitlich. In der Burgkapelle Sankt Stephan von Montani wurden beispielsweise bereits im 16. Jahrhundert die kunsthistorisch bedeutsamen Fresken bekritzelt. So bekundete ein Herr von Montani an der Südwand sein Gottvertrauen: „1544 Gott mein Hoffnung Melchior von Montani“; an seinem Lehrer rächen wollte sich vermutlich ein Schüler mit boshaftem Gekritzel: „1558 Paulus Kheler (asinus) est stultus fuit preceptor in Latsch“ (Paul Kheler [Esel], gewesener Lehrer in Latsch, ist dumm).