Unser Gehirn – ein Energiefresser
Im Frühling 2024 von Dr. Luis Fuchs
Der Energieverbrauch steht zurzeit im Fokus der wissenschaftlichen Forschung und der entsprechenden technischen Lösungen. Was die körperliche Arbeit anbelangt, wissen wir alle, wie sehr sie uns ermüden kann. Doch nach einem langen Tag mit vorwiegend geistiger Arbeit kann ein Mensch auch durchaus erschöpft sein. Kann es also sein, dass das Gehirn beim Denken entsprechend mehr Energiereserven verbraucht?
Die Wochenzeitung DIE ZEIT berichtete kürzlich über den Neurowissenschaftler Marcus Raichle von der Washington University in St. Luis, der das Energiebudget des Gehirns untersucht hat: Beim angestrengten Nachdenken steigt der Mehrverbrauch an Energie auf ca. fünf Prozent. Der Energieverbrauch des menschlichen Körpers wird standardmäßig in Kilokalorien (kcal) gemessen. Unser Gehirn sei ein Energiefresser, bestätigt der Wissenschaftler. Obwohl es nur zwei Prozent unseres Körpergewichts ausmacht, verbraucht es ganze 20 Prozent der Energie, also gut 300 Kilokalorien pro Tag. Das Gehirn ist allerdings nicht nur aktiv, wenn wir denken; von seiner Arbeit merken wir größtenteils nichts, weil sie unbewusst erfolgt. Sogar beim Schlafen muss das Denkorgan eine Reihe von Körperfunktionen regulieren. Es ist also ohne Unterlass aktiv.
Die industrielle Revolution hatte zur Folge, dass wir das Tun und Schaffen zunehmend den Maschinen überließen. Seitdem scheint die Aufgabe der Menschen zu einem großen Teil darin zu bestehen, zu denken. In speziellen Denklabors wurde danach geforscht, wie man auch das Denken den Maschinen überlassen könnte. Elektronengehirne wurden gebaut, die dank künstlicher Intelligenz nicht nur Zusammenhänge erkennen können, sondern mittlerweile auch schon fähig sind, zu hinterfragen und schöpferisch zu denken. Kreativität gilt zwar als etwas sehr Menschliches, doch mit neuen Programmen wie ChatGPT stellt sich die Frage, ob KI gewissermaßen neue Ideen produzieren kann. Die neuen Programme können nämlich bereits Gedichte schreiben, sich Witze ausdenken und Musikstücke komponieren. Winkt uns also in absehbarer Zeit nicht nur das Nichtstun, sondern auch das Nicht-mehr-denken-müssen?