Wozu sollen wir noch von Hand schreiben?
Im Winter 2017 von Dr. Luis Fuchs
Sechs private Briefe von Prinzessin Diana haben zum Jahresende beim Auktionshaus Cheffins für 15.000 Pfund (17.500 Euro) den Besitzer gewechselt. Die handgeschriebenen Briefe aus den 80er- und 90er-Jahren waren an den königlichen Butler Cyril Dickman gerichtet. Erstaunlich, welcher Wert dem handgeschriebenen Wort in unserem digitalen Zeitalter noch beigemessen wird. Für einen Brief Einsteins, an den Philosophen Erich Gutkind adressiert und als „Gottesbrief“ bezeichnet, wurden bei einer Auktion drei Millionen Dollar geboten; das kurze Schreiben umfasst 435 Wörter, ein Wort wurde also mit 7.000 Dollar bewertet.
Schreiben ist eines unserer wertvollsten Kulturgüter. Die Stiftung Lesen (Mainz) schlägt allerdings Alarm: In einem Land wie Deutschland, wo es Schulpflicht gibt, leben über sieben Millionen Analphabeten. Sie sind zwar noch zu einer verwackelten Unterschrift imstande, im Straßenverkehr fallen sie durch ihr unberechenbares Verhalten auf, weil sie die Schilder nicht lesen können. Einer Umfrage des Deutschen Lehrerverbandes zufolge können nicht einmal 40 Prozent der Schüler eine halbe Stunde lang ohne Beschwerden schreiben. Den Kindern Finnlands wird seit letztem Jahr schon nicht mehr die Schreibschrift beigebracht. Warum eigentlich noch schreiben lernen, fragt man sich, wenn auch die Fähigkeit genügt, eine Tastatur bedienen zu können?
In seinem aktuellen Werk „Schreiben mit Hand und Herz“ ermuntert uns der Grafikdesigner Gottfried Pott, trotz aller entgegengesetzten Tendenzen die Handschrift zu pflegen: Wer von Hand schreibt, verfasse auch die besseren Texte, denn der Schreibfluss nehme Einfluss auf die Gedanken. Wer am Computer tippt, verändert den Text im Grunde nicht mehr, weil alles schon perfekt aussieht.
Am Schriftbild sehen wir, ob wir aufgeregt und nervös sind oder ruhig und gelassen. Offensichtlich genießt die Handschrift eine neue Wertschätzung; immer mehr Erwachsene widmen sich der Kalligrafie, der Kunst des Schönschreibens. Diesem Trend entspricht auch die aktuelle Aufwertung der Grafologie. Vor allem im Justizbereich sind Grafologen gefragt, ihre Hilfe wird in Anspruch genommen, um die Authentizität von Beweismaterial oder Dokumenten wie Testamenten festzustellen. Maria Caldarazzo, eine der bekanntesten Grafologinnen Italiens, betrachtet die Grafologie als äußerst effiziente Methode zur Deutung einer Persönlichkeit: Die Schrift enthülle die Vergangenheit einer Person und gebe Informationen über ihren physischen und seelischen Zustand, „Mit der Schrift kann man nicht lügen“, ist sie überzeugt.