„Alle möchten arbeiten!“
Besuch im Meraner Flüchtlingshaus Arnika
Im Herbst 2011 von Thomas Kobler
Vor einigen Monaten haben wir das von der Caritas betreute Flüchtlingshaus Arnika in der Meraner Romstraße schon einmal besucht und ein Interview mit einem der dort lebenden Flüchtlinge geführt. Zurzeit leben in der Struktur 53 Flüchtlinge (davon zwei Familien mit Kleinkindern) aus verschiedenen schwarzafrikanischen Ländern, unter anderem aus Gambia, Burkina Faso und Ghana. Jeder dieser Menschen erhält im Monat einen Beitrag von etwas mehr als 40 Euro. Nun haben wir die Struktur ein weiteres Mal aufgesucht und uns mit dem Leiter des Hauses Arnika, Michael Peintner, getroffen und ihn zur bisherigen Arbeit befragt.
Meraner Stadtanzeiger: Herr Peintner, die aus Lybien geflüchteten Gastarbeiter sind nun schon seit Frühjahr 2011 in Meran. Wie ist die Arbeit im Haus Arnika in den letzten Wochen verlaufen und wie geht es den Menschen dort?
Michael Peintner: Wir sind mit der bisher geleisteten Arbeit zufrieden und kümmern uns nach wie vor so gut es geht um die jungen Frauen und Männer. Mit dem fortlaufenden Aufenthalt treten natürlich immer mehr Zukunftsängste bei den Menschen auf und deshalb gibt es natürlich auch Momente, in welchen man mit der Situation, so wie sie sich darstellt, nicht zufrieden ist. Die Erwartungshaltung war bei einigen der Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Italien natürlich groß gewesen, deshalb ist die Enttäuschung und Ernüchterung in vielen Fällen umso schmerzlicher.
Stadtanzeiger: Sie verweisen auf die nicht genehmigten Ayslantragsverfahren. Die Genfer Flüchtlingskonvention schreibt vor, dass lediglich Kriegsflüchtlinge Anspruch auf Asyl haben, Wirtschaftsflüchtlinge allerdings nicht. Wie gestaltet sich die Situation diesbezüglich?
Michael Peintner: Genau. Das Problem ist, dass wohl keine der in Meran untergebrachten Personen den Status Kriegsflüchtling erhalten wird, obwohl de facto alle Menschen aus einem Kriegsgebiet, nämlich Lybien, nach Italien gekommen sind. Da sie als Gastarbeiter in Nordafrika gelebt und gearbeitet haben, werden sie wohl alle den Status Wirtschaftsflüchtling verliehen bekommen. Bisher sind deshalb schon 11 verschiedene Verfahren in Verona abgelehnt worden. Sechs Flüchtlinge haben Meran deshalb verlassen und müssten theoretisch auch das italienische Staatsgebiet verlassen. Die restlichen fünf haben sich nicht mit dem Urteil abgefunden und deshalb bereits Rekurs eingelegt. Nun muss man abwarten, was passiert.
Stadtanzeiger: Wie geht es den Menschen? Was machen sie in ihrem Alltag?
Michael Peintner: Nach wie vor sind alle eifrig und emsig dabei, die Sprachkurse zu besuchen. Sie besuchen sowohl Sprachkurse in italienischer als auch in deutscher Sprache und nehmen diese Aufgabe äußerst ernst. Drei- bis viermal die Woche besuchen sie die Anlaufstelle „Alpha und Beta“ und verbringen dort bis zu drei Stunden mit dem Üben der neuen Sprachen. Sonst ist es natürlich vor allem für die jungen Männer äußerst schwierig, ihren Alltag zu gestalten. Alle möchten arbeiten oder zumindest eine Beschäftigung, welche sie ausfüllt, aber dies gestaltet sich weiterhin sehr schwierig.
Stadtanzeiger: Gibt es keine Arbeitsangebote bzw. was sind die Gründe, warum die Flüchtlinge keine Arbeit finden?
Michael Peintner: Zuerst einmal muss gesagt werden, dass nur einige wenige eine Arbeitsgenehmigung erhalten haben, in erster Linie die Tunesier, da es zwischen Italien und einigen nordafrikanischen Staaten bestimmte bilaterale Abkommen gibt. Alle anderen dürfen höchstens als Freiwillige angestellt werden. Und ja, es gibt natürlich Arbeitsangebote und wir stehen in ständigem Kontakt mit Vermittlungsstellen. Das Problem hierbei aber ist, dass niemand oder besser gesagt kaum jemand dazu bereit ist, diese Menschen anzustellen. Die Vorurteile scheinen unter den Südtirolern immer noch sehr groß zu sein. Wenn ein Arbeitgeber zudem hört, dass diese Menschen eher italienisch als deutsch sprechen, sind die Skepsis und die Vorbehalte noch größer.
Stadtanzeiger: Eigentlich unhaltbare Zustände. Gerade mit der Sprache und der Ausübung einer sinnvollen Tätigkeit bzw. Arbeit kann Integration doch erst vonstattengehen?
Michael Peinter: Natürlich. Arbeit oder eine sinnvolle Beschäftigung sind das Um und Auf für diese Menschen. Leider haben viele Leute bei uns immer noch ein vorgefertigtes Bild in ihren Köpfen. Und das, obwohl die Flüchtlinge in Lybien teilweise Knochenarbeit geleistet haben und es gewohnt sind, viel und hart zu arbeiten. Diese Menschen „sumpern“ auch nicht herum, sondern würden jede Tätigkeit in Angriff nehmen, die man ihnen anbietet. Daher kann man nur weiterhin hoffen, dass sich diesbezüglich alsbald etwas ändert und Arbeitgeber bestimmte Vorurteile abbauen und diesen Menschen eine reelle Chance geben. Man kann sich sicher sein, nicht enttäuscht zu werden.