Stromschwankungen
Im Herbst 2012 von Dr. Luis Fuchs
Der „Strom-Sumpf“ war letzte Woche der Aufmacher im Tagblatt der Südtiroler. Der Strom fließt in Südtirol anscheinend nicht mehr, er ist zum Stillstand gekommen, weil er nunmehr zu einem Sumpf stagniert ist. Der Landeshauptmann jedoch scheint jetzt unter Strom zu stehen, wie der elektrische Strom teilt er bei Berührung Schläge aus. Sonderbar findet selbst das Wochenmagazin ff dieses Verhalten, denn „Strom war immer Chefsache in Südtirol“ und „die demonstrative Unwissenheit Durnwalders ist, nüchtern betrachtet, nicht übertrieben glaubwürdig.“
Unter Strom verstand man ursprünglich Wasser in Bewegung. Inzwischen strömt so manches: die Luft, das Licht, die Lava, sogar das Meerwasser im Golf-Strom und das Eis des Gletschers. In Strömen fließt oft der Regen und mancherorts gar der Alkohol. Mit dem Prinzip panta rhei hat uns schon der Philosoph Heraklit vor Augen geführt, dass alles fließt, es also nichts Bleibendes gibt.
Wer das in anderen Sprachen verwendete Wort Elektrizität als Strom eingedeutscht hat, wissen wir nicht. Jedenfalls ist das Wort ein geglücktes Beispiel eines sinnfälligen kurzen deutschsprachigen Begriffs. Eine der ersten praktischen Anwendungen des Stroms erfolgte in der Telegrafie. Für die Nachrichtenübermittlung war in der Folge die Drahttechnik ausschlaggebend. Man musste also auf Draht sein, wenn man schnell etwas Neues erfahren wollte. Wir wissen bestens, wie nützlich es sein kann, zu gewissen Persönlichkeiten einen guten Draht zu haben. Die Steigerung des guten Drahts ist der heiße Draht. Der Begriff wurde aus der englischen Hotline gebildet und meint die direkte telefonische Verbindung zwischen den Regierenden der Großmächte.
Es heißt manchmal, jemand steht oder sitzt auf der Leitung, dann bezieht sich das sprachliche Bild auf die Telefonleitung, nach der simplen Vorstellung, die Nachricht fließe wie Wasser durch einen Gartenschlauch. Die Redewendung eine lange Leitung haben leitet sich von den Telefon- oder Telegrafenleitungen ab, die in den Anfängen der Fernmeldetechnik bei größeren Entfernungen sehr störanfällig waren.