Das alte Meraner Ballhaus
Im Herbst 2023 von Dr. Elfriede Zöggeler-Gabrieli
Die inzwischen veränderten Baulichkeiten, welche früher dem alten Ballhaus angehörten, befinden sich in den unteren Meraner Wasserlauben. Der auffallend breite straßenseitige Laubenbogen erinnert an die einstige Funktion als Umlagestation und Lagerhalle für die Rodfuhr.
Über dieses Haus schreibt Beda Weber (1798–1858). (…) In der Mitte der diesseitigen Laubengasse zeigt man noch das alte Ballhaus, wenigstens die Stätte desselben, in welches man vom Ultnerthore herauf unmittelbar durch die Gärten einfahren konnte. Es ist seit dem Brande 1348 nicht mehr hergestellt worden, und zeigt noch Spuren der durchs Feuer verursachten Verwüstung. Bei einer genaueren Nachforschung stieß man daselbst auf weitläufige Kellerräume, die seltsamer Weise ohne nähere Einsicht wieder geschlossen worden sind (…). Im Stadtarchiv standen Quellen, die dies bezeugen, genauso wie weitere, die in der Meraner Zeitung 1898 genannt wurden, jüngstens nicht zur Verfügung, doch weist Eva M. Baur in ihrem wissenschaftlichen Beitrag „Die Meraner Feuerordnung – eine Spurensuche“ darauf hin, dass Meraner Archivalien anfangs des 20. Jahrhunderts unter anderem in die Innsbrucker Wohnung Karl Moesers, Archivar am k. k. Statthaltereiarchiv Innsbruck, gebracht wurden. Viele davon wurden 1943 durch einen Bombeneinschlag zerstört.
Aus den Aufzeichnungen von Cölestin Stampfer (1823–1895) erfahren wir wiederum, dass das alte Meraner Ballhaus die Nr. 89 trug und im 15. Jahrhundert noch bestand und wohl auch genutzt wurde, denn als im 16. Jahrhundert Handel und Gewerbe in Meran zurückgingen und auch keine Einigung über den Ort einer neuen Lagerhalle erzielt werden konnte, befahl die Regierung dem Landeshauptmann Leonhard von Völs, dass er mit den Boznern verhandeln möge und gegen Meran keine Neuerungen in Bezug auf die Warenablage durchzuführen habe.
Niederlags- und Rodfuhrrecht
Das Niederlagsrecht ist kein eindeutig definiertes Privileg, welches zu jeder Zeit und an jedem Ort dieselbe Bedeutung hatte. Vielmehr wurde eine ganze Reihe von Vorschriften, etwa der Zwang für Kaufleute zur Unterbrechung der Reise, der ausschließliche Besuch bestimmter Märkte, das Anlegen an bestimmten Häfen – z.B. an der Etsch in Neumarkt – oder auch das Niederlegen, Feilbieten, Verkaufen oder Umschlagen der Waren mit den Begriffen Niederlage oder Stapel bezeichnet. Für einen Handelsort hatten derartige Rechte große Vorteile, war dies doch gleichbedeutend mit einem Gewinn an Bedeutung als Verkehrs- und Handelsknotenpunkt. Auch für einen Teil der Kaufleute hatte das Niederlegen von Waren durchaus seine positiven Seiten, denn sie konnten in diesen Handelsorten ihre Produkte oft sehr rasch verkaufen.
Das Niederlagsrecht war mit dem Rodfuhrrecht verbunden, was heißt, dass Bauern, die über das nötige Fuhrwerk und Zugvieh verfügten, nach einer bestimmten Reihenfolge bzw. auf einem bestimmten Streckenabschnitt den Gütertransport zu besorgen hatten. Dieser Frachtdienst bot den Bauern einen willkommenen Nebenverdienst. Das Niederlagsrecht war sehr begehrt, sicherte es der jeweiligen Ortsherrschaft bzw. der betreffenden Gemeinde doch erhebliche Einnahmen aus Zoll, Wegegeld und ähnlichen Abgaben. Die Anwesenheit von vielen Kaufherren, Händlern, Fuhrknechten und anderen Begleitpersonen bedeutete somit für den örtlichen Handel, für Handwerk und Gewerbe eine wesentliche Steigerung der Einkünfte. Diese Rodstätten lagen in der Regel ca. 30 Kilometer auseinander, gerade aber so, wie es die Wegverhältnisse für eine Tagesetappe gestatteten.
Das erste bekannte Niederlagsrecht in Tirol ist im Innsbrucker Stadtrecht von 1239 festgeschrieben, es folgten der Markt Imst 1282 und Hall 1303. Auch Meran wird bereits 1239 als Marktort, forum et burgum mairani, bezeichnet, doch erst 1317 ließ Graf Heinrich von Tirol das schon bestehende Marktrecht schriftlich festlegen und durch Beherbergungs- und Stapelmonopol bzw. Niederlegsrecht sowie zusätzliche Markttage ergänzen. Das Meraner Niederlagsrecht befand sich am Kornplatz und wurde vom Landesherrn als Erblehen vergeben.
Das alt öd Haus oder der Messerschmidin Haus
Wie erwähnt, musste Meran im 16. Jahrhundert viel von seinem früheren Ansehen an Bozen, aber auch an Innsbruck abgeben. Mit dem 20. Dezember 1530 führte König Ferdinand I. die Rodordnung ein, weshalb 1531 zwölf Rodhöfe beziehungsweise Bauern in Gratsch, Algund und Plars bestimmt wurden, Waren zu transportieren. Außerdem erhielten 1531 der römisch kgl. Majestät Bevelchhaber Herr Degen Fuchs von Fuchsberg zu Jaufenburg und Hanns Sinckhmoser, Kellner zu Tirol, von der Regierung den Auftrag, mit der Stadt Meran wegen der Errichtung eines Ballhauses zu verhandeln, nachdem bereits Jahre zuvor der Landeshauptmann, Leonhard von Völs, dies nicht geschafft hatte. Sie schlugen vor, dieses Gebäude am Rennweg zu errichten, dieweil und dann in der Stat Meran khain gelegener und teuglicher platz zu sollichen palhaus, dann am Rennweg an der alten Clostermaur. Im Rahmen einer Ratssitzung stimmte diesem Ansuchen jedoch die Mehrzahl der Meraner Bürger nicht zu und begründete dies: dieweil sollicher platz zu verpawen der ganzen Stat Meran nachtaylig seie. Die Gemeinde unterbreitete einen Gegenvorschlag, in dem sie riet, das Alt öd Haus gegenüber dem Amtshaus zu einem Ballhaus zu benützen, wobei sie den Mietzins von acht Pfund Perner – welcher der Gemeinde von diesem Haus zustünde – für immer festlegen wolle. Die Herren Fuchs und Sinckhmoser sprachen sich jedoch dagegen aus, da es ungünstig gelegen und zudem viel zu eng gewesen sei. Außerdem ermahnten sie die Meraner Bürger, sich nicht durch ihre hartnäckigen Weigerungen die Ungnade des Landesfürsten und Königs Ferdinand I. zuzuziehen.
Nachdem sich die Meraner nicht erweichen ließen, den Platz am Rennweg für ein neues Ballhaus gutzuheißen, gingen beide Kommissäre auf deren Vorschlag ein, da sie wussten, dass ein Ballhaus auf jeden Fall gebaut werden sollte. Allerdings verlangten sie, dass die Gemeinde auf den Zins von acht Pfund Perner verzichten solle und zudem dieses öd Haus von Kuchen, Rais und Landsteuern oder annder der Stat beswerung, so darauf gelegt möcht werden, zu befreien, da es alt und baufällig war und dem Landesherrn ohnehin wegen des Baues große Kosten entstünden, wovon die Gemeinde aber den Nutzen haben würde. Auf dieses Angebot ging wiederum die Stadtgemeinde nicht ein, da die Stat Meran etlich Jar her auss vil ursachen und obligen in armuet verderben und abnemung des gewerbe komen und beharrte auf ihrem Vorschlag, obwohl die Kommissäre sie von der Nutzlosigkeit und Gefährlichkeit dieses alten Hauses und seines Zustandes zu überzeugen versuchten. Nun versuchten die beiden Kommissäre mit den Rodfuhrleuten von Algund und Gratsch Unterverhandlungen zu führen und sie zur Übernahme des künftigen Ballhauses zu überreden. Nach langem Zureden und unter der Bedingung, dass das Haus von aller Steuer befreit und die Güter von Latsch und Terlan, wo sich bereits ein Ballhaus befand, nun in Meran eingelagert werden sollten, sagten die Fuhrleute zu. Aber es verging keine Stunde, da meldeten sich die Rodleute von Algund und Gratsch mit einer schriftlichen Erklärung bei den Kommissären, in welchem sie das Angebot ablehnten, da auch sie die Lage des öden Hauses als höchst ungünstig empfanden. Falls aber – so wie es ursprünglich vorgesehen war – das Ballhaus am Rennweg gebaut werden sollte, dann würden sie gerne auf das Angebot zurückkommen.
Obwohl nun die beiden Kommissäre an die fürstliche Kammer 1531 berichteten, dass sie durch die Absagen gar irr und zerrüttlich gemacht wurden, konnten sie dieser einen Kostenvoranschlag für die Adaptierung des alten öden Hauses, das man der Messerschmidin Haus nannte, vorweisen: Für die Zimmermannskosten 88 Gulden, 2 Pfund, für die Maurerkosten 208 Gulden. Außerdem empfahlen sie das hinter dem alten Haus stehende kleine Häuschen samt Garten, auf welchem ein Zins von fünf Pfund lastete, wegen der Ein- und Ausfahrt zum zukünftigen Ballhaus auch dazu zu kaufen und bemerkten, dass deshalb mit einem weiteren Betrag von bis zu 70 Gulden zu rechnen wäre. Nachdem die beiden Kommissare der Kammer ihre bisherigen Arbeiten geschildert hatten, gaben sie noch ein Gutachten mit dem Vorschlag ab, das Ballhaus nicht auf dem Platz des öden Hauses zu erbauen, da sich die Rodfuhrleute außerstande fühlten, die Bau- und Erhaltungskosten aufzubringen. Das neue Ballhaus sollte vor der Stadt Meran und zwar vor dem Vinschger Tor errichtet werden, denn dort sei die Lage wegen des nahen Rennweges günstig. Zudem seien die Spesen für den Neubau nicht höher als die Adaptierungkosten des alten Hauses und würde auch von allen Steuern und Auflagen der Stadt frei sein.
Der Bericht wurde auch zur Begutachtung an den Amtmann von Bozen, Sigmund von Brandis, gesandt. Letztendlich hatte König Ferdinand den Kelleramtsverwalter Sinckhmoser beauftragt, das alte öde Haus samt Garten um 120 Gulden zu kaufen und dasselbe zum Ballhaus umzubauen, jedoch in geringisten costen der notturfft nach. Bereits 1533 konnte der Umbau vollendet und das Gebäude seiner Zweckbestimmung übergeben werden. Allerdings bedeutete diese neue Einrichtung große wirtschaftliche Einbußen für den Lehensinhaber der Niederlage am Kornplatz.
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