In 26 Minuten von Meran nach Bozen
Im Winter 2024 von Eva Pföstl
In rund 10 Jahren soll die neue Bahnverbindung Bozen–Meran in Betrieb genommen werden. Sie wird zweigleisig ausgebaut und begradigt. Dadurch wird die Fahrzeit von derzeit 42 Minuten auf 26 Minuten verkürzt. Die Entscheidung für den zweispurigen Ausbau der Bahnstrecke Bozen – Meran wurde bereits im Jahr 2015 getroffen. In einem Rahmenabkommen unterzeichneten der Schienennetzbetreiber RFI und das Land Südtirol eine Vereinbarung, mit welcher die Modernisierung der Bahnlinie vorangetrieben werden sollte. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan und wir haben Marco Stabile, den Bezirksleiter Vinschgau des verantwortlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmens STA (Südtiroler Transportstrukturen AG), getroffen, um den neuesten Stand der Dinge zu erfahren.
Die Geschichte
Die Geschichte der Bahntrasse von Bozen nach Meran beginnt in den 1870er-Jahren – also zu einer Zeit, in der Südtirol noch Teil des Kaiserreichs Österreich-Ungarn war. Nach der Eröffnung der k.k. Eisenbahn Verona–Bozen am 16. Mai 1859, der Brennerbahn Innsbruck–Bozen am 24. August 1867 und der Bahn ins Pustertal im Jahr 1871 war es nur logisch, im nächsten Schritt die zum internationalen Kurort aufstrebende Stadt Meran an das Schienennetz anzuschließen.
Für die geplante Bahnstrecke Bozen–Meran gab es verschiedene Anläufe: Anfangs mit einer Planung von Wilhelm Nast. Die Konzession von 1869 für diese Strecke, die durch den Vinschgau bis ins schweizerische Chur weitergeführt werden sollte, verlief jedoch bald im Sande. Neu aufgegriffen wurde das Projekt Bozen–Meran und evtl. bis Chur von einem Südtiroler Consortium, dem unter der Leitung von Carl Freiherr von Schwarz, Johann von Putzer-Reibegg und Eduard von Weinhard nach der Vorlage eines Vorprojektes 1872 die Konzession erteilt wurde. Das Konsortium erhoffte sich die Realisierung des Projektes zumindest bis zur Schweizer Grenze durch den Salzburger Eisenbahnunternehmer, Baurat Carl Ritter von Schwarz, der die Konzession noch 1872 erwarb, eine Trassenrevision vornahm und die Finanzierung gesetzlich sicherstellte.
Durch übertriebene Bodenpreisforderungen der betroffenen Anrainer im Jänner 1873 ließ Schwarz das Projekt jedoch fallen. Nach dem Wiener Börsenkrach im Mai 1873 wurde wieder eine neue Vorkonzession an ein neues Konsortium vergeben, welches unter der Leitung des späteren Landeshauptmannes Anton Graf Brandis und Heinrich Böhm ein realistisches Sparkonzept vorlegte und zusammen mit der staatlichen Eisenbahngesellschaft die Strecke gemäß der Konzessionsurkunde vom 11. Juni 1880 realisierte. Nach nur knapp einjähriger Bauzeit konnte die Strecke am 4. Oktober 1881 feierlich eröffnet werden. Die Gesamtkosten betrugen 5,4 Millionen Gulden, 1,3 Millionen Gulden wurden von den Aktionären aufgebracht, die eine Zinsgarantie von 10 % erhielten.
Mit dem Bahnbau gingen Maßnahmen zur Trockenlegung von Sumpfgebieten einher. Die Entwässerung der feuchten und durchmoosten Etschebene führte zur Erschließung neuen landwirtschaftlichen Grundes vor allem für den Obstbau. Die Grundstückspreise stiegen in manchen Bereichen dabei um 50 %, einmal ganz abgesehen von dem wesentlich erleichterten Absatz der Produkte.
Für die Entwicklung der Kurstadt Meran hatte die Bahnstrecke Bozen–Meran eine zentrale Bedeutung. Kaiserin Elisabeth, vielen besser bekannt als Sisi, oder auch der russische Hochadel kamen mit der Bahn. Es gab sogar Kurswagen von St. Petersburg nach Meran. Neben dem Personenverkehr verzeichnete die Strecke damals auch einen regen Güterverkehr mit Anschlüssen an die umliegenden Betriebe. So gab es südlich von Untermais Anfang des 20. Jahrhunderts einen fünfgleisigen Güterbahnhof und in jedem weiteren Bahnhof Anschlüsse für umliegende Betriebe, meist Obstmagazine, die sich in großer Anzahl günstig in der Nähe der Strecke angesiedelt hatten. Der Einzelwagenverkehr wurde 1992 eingestellt.
Die äußerst gewinnträchtige Strecke wurde von der Gesellschaft Bozen–Meraner Bahn (BMB) als private Sekundärbahn bis 1906 betrieben, anschließend wurde sie bis 1918 von den k.k. Staatsbahnen betrieben. 1919 wurde sie von den italienischen Staatsbahnen Ferrovie dello Stato (FS) übernommen.
Geplanter Ausbau
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Eisenbahnnetz sträflich vernachlässigt. Autobusse galten als moderner und flexibler, das Straßennetz wurde immer weiter ausgebaut. In dieser Zeit verloren unter anderem Sand in Taufers (1957), das Grödnertal (1960), das Fleimstal (1963) und Kaltern (1971) ihren Bahnanschluss. Die 1990 stillgelegte und jahrelang brachliegende Vinschgerbahn wurde 2005 wieder in Betrieb genommen.
Heute ist die eingleisige Bahnlinie Bozen–Meran, wie die Brennerbahnlinie und die Pustertaler Bahnlinie, Teil des gesamtstaatlichen italienischen Eisenbahnnetzes. Die Bozen-Meraner-Bahn ist eine einspurige, mit 3.000 Volt Gleichstrom elektrifizierte Bahnstrecke mit Normalspur. Streckenbetreiber (Infrastruktur) ist der Schienennetzbetreiber RFI der FS. Seit Jahren wird von Seiten der Südtiroler Landesverwaltung und der STA (Südtiroler Transportstrukturen AG) im Verhandlungswege mit der italienischen Eisenbahngesellschaft und dem Transportministerium eine umfassende Modernisierung dieser Bahnlinie angestrebt.
Bereits 2018 konnte man im Mobilitätsplan des Landes Südtirol lesen: „Die Bahnlinie Bozen–Meran soll ausgebaut werden, und zwar zu einer großteils zweigleisigen
S-Bahn, um eine Taktfrequenz von 15 Minuten und eine Fahrzeit von einer halben Stunde anbieten zu können.“ Vor ca. 1 Jahr wurde nun die Finanzierung für den Ausbau eines nachhaltigen und konkurrenzfähigen öffentlichen Personennahverkehrs in Südtirol zur Verfügung gestellt und bereits 2015 wurden von der Provinz Bozen 23 elektrische Züge, des Typs FLIRT, für die Strecke Bozen–Meran angekauft.
Elektrifizierung der Vinschger Bahn
Im Juni 1990 verkehrte im Vinschgau zum letzten Mal ein Zug der italienischen Staatsbahnen: zu wenig frequentiert, zu teuer, zu aufwendig im Unterhalt. Doch dann nahm die Autonome Provinz Bozen die Sache selbst in die Hand: Die Infrastruktur der Vinschger Bahn wurde ertüchtigt, bei Stadler in der Schweiz zwölf Gelenktriebwagen GTW 2/6 angeschafft, Bahnhöfe restauriert und im Mai 2005 der Betrieb in eigener Regie aufgenommen.
Die STA betreibt nicht nur die Strecke, sondern ist auch Eigentümerin der Fahrzeuge, welche sie an das Eisenbahnverkehrsunternehmen SAD vermietet. Bereits um das Jahr 2010 begannen deshalb die Planungen für eine Ertüchtigung der Bahn: Längere und schnellere Züge mit elektrischer Traktion sollen die nur 40 Meter langen GTW ablösen. „Definitiv ist die Entscheidung 2014 gefallen“, erklärt Stabile. Man entschied sich für eine Oberleitung. Sie wird mit 25 kV/50 Hertz Wechselstrom gespeist. „Die Entscheidung für dieses Bahnstromsystem lag wegen der hohen Effizienz nahe, aber auch deshalb, weil der Brenner-Basistunnel mit diesem Stromsystem ausgerüstet werden soll“, sagt Stabile. Seit 2023 werden entlang der Strecke die insgesamt 1.500 Masten für die Oberleitung, die für die Elektrifizierung der Bahnlinie notwendig sind, aufgestellt. Im Marlinger Tunnel musste u.a. die Sohle abgesenkt werden, um am First Platz für die Leitungen zu schaffen. Weiters wurden seit November 2023 die Bahntunnels Josefsberg und Töll an die geltenden europäischen Sicherheitsvorschriften angepasst und die an der Bahnstrecke liegenden Bahnhöfe mit 125 Meter langen Bahnsteigen für die 120 Meter langen neuen Züge ausgerüstet. Zudem wurden Teile der Strecke begradigt, um Zeitpolster für die Einführung des Halbstundentakts zu gewinnen. Derzeit werden am Wochenende, wo die Zugstrecke für Fahrgäste gesperrt ist, Sicherheits-Probefahrten zwischen Mals und Laas durchgeführt.
Insgesamt ist für den Ausbau der Vinschgerbahn ein Budget ca. 85 Mio. Euro vorgesehen. Die Finanzierung erfolgt über den Landeshaushalt. Geplante Fertigstellung: 2025.
Für die Weiterführung der Vinschger Bahn bis in die Lombardei mit Endstation Bormio oder bis ins Inntal oder ins Unterengadin wurden Machbarkeitsstudien erstellt: Durch den notwendigen Bau mehrerer Tunnels würden jeweils Baukosten in Millionenhöhe anfallen und Stabile stuft eine Anbindung in den nächsten Jahrzehnten als nicht realistisch ein.
Im Mittelpunkt stehen die Fahrgäste und die Qualität
Fünfzehn Niederflurtriebzüge des Typs Coradia Stream, die eigens für den Regionalverkehr konstruiert sind, hat die Südtiroler Landesregierung für ihre Zukunft unter Strom bei Alstom bestellt. Sie sind mit dem Europäischen Signalsystem ETCS ausgerüstet und können somit problemlos dies- und jenseits des Brenners fahren, ebenso wie durch den Brennerbasistunnel mit einer maximalen Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern. „Sie stellen einen bedeutenden Schritt und Teil der Strategie für eine nachhaltige alpine Mobilität in der gesamten Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino dar, damit die Bahn in der ganzen Euregio die bessere Alternative zum Privatfahrzeug wird“, sagt Stabile.
Der erste elektrische Zug im Vinschgau wird voraussichtlich im September/Oktober 2024 eingesetzt. Diese elektrischen Mehrsystemzüge, welche auch für die Vinschger-Bahn eingesetzt werden sollen und die derzeitigen 11 dieselbetriebenen Züge ersetzen werden, haben gleich mehrere Vorteile: Pro Fahrt können, gemessen an der Sitzplatzanzahl, anstelle der heutigen 7.500 in Zukunft 16.500 Fahrgäste komfortabel transportiert werden; es verkehren nicht mehr 50 Züge pro Tag wie bisher, sondern 60 Züge. Es steht ein vergrößertes Fahrradabteil zur Verfügung und zudem gibt es auch mehr Türen, nämlich zehn pro Seite: Das erleichtert den Ein- und Ausstieg.