Frauen bilden
300 Jahre Jubiläum der Englischen Fräulein in Meran
Bildung war in Meran lange nur wenigen, adeligen Frauen gestattet. Sie hatten die Wahl zwischen Heiratspflicht oder Klosterleben. Den Mädchen der unteren Gesellschaftsschichten blieb hingegen jegliches Recht auf Bildung untersagt.
Als im 18. Jahrhundert die Ordensgemeinschaft der Englischen Fräulein nach Meran kam, fand eine bahnbrechende Veränderung statt: Alle Frauen sollten eine grundlegende Bildung und somit Anrecht auf mehr Wissen, Selbstverwirklichung und Mitspracherecht erhalten. Bis dahin war Mädchenbildung in Tirol unbekannt und so setzte sich anfangs auch der Stadtrat von Meran vehement gegen das Projekt ein. Die Ordensschwestern blieben jedoch der Vision ihrer Gründerin Mary Ward stets treu und errichteten im Jahre 1723 trotz Misstrauen der Lokalbevölkerung sowie großer finanzieller Schwierigkeiten das Institut der Englischen Fräulein im Hohensaal am Sandplatz.
Die Stadt Meran wurde regelrecht zur Vorreiterin der Mädchenbildung im gesamten Tiroler Raum. Frauen aller Gesellschaftsschichten erlangten kostenlose Grundlagenkenntnisse im Lesen, Schreiben, Nähen und Kochen. Der Unterricht in Latein, Englisch, Französisch und Italienisch war neben Musik, Tanz und feinen Handarbeiten nur für die oberen Schichten gegen Bezahlung angedacht. Alle Studierenden erhielten täglich freies Brot, viele von ihnen ganzjährige Unterkunft und Verpflegung.
Die Bildungseinrichtung der Englischen Fräulein hat Meran und die gesamte Umgebung für immer verändert. Endlich durften alle Mädchen, auch jene vom Land, geschult werden. Endlich durften auch Frauen beruflich ausgebildet werden, etwa als Köchin oder Lehrerin. Noch lange nach der Eröffnung des Instituts, bis in die späten 1950er-Jahre, war es verheirateten Frauen meist untersagt, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, einige fanden jedoch trotzdem neue Freiheiten und Verdienstmöglichkeiten. Vor allem hat die Mädchenbildung aber zu einem vermehrten Selbstwertgefühl der Frauen geführt, die nun endlich wussten, dass auch sie, mit Willen und Einsatz, großartiges leisten konnten und nicht nur für Familienpflege und Kinderkriegen gut waren.
Diese Sonderausstellung ist ein Tribut an die grandiose Willenskraft einer weiblichen Ordensgemeinschaft, welche nicht nur Frauenbildung in Südtirol ermöglicht hat, sondern zeitgleich auch Chancenungleichheiten zwischen den Geschlechtern und den Sozialschichten aufheben wollte. Erfolgreich, denn die Bildungseinrichtung blieb bis 2004 aktiv und hat ganze Generationen an Südtiroler Frauen ausgebildet.
Wie die Pionierin und Visionärin Mary Ward stets unterstrich: Jeder Mensch – so auch Frauen – hat göttliche Elemente von Freiheit, Tugend und Wahrhaftigkeit in sich, die nur dank Bildung gestärkt und gefestigt werden können.
„Bis jetzt wurde uns von Männern gesagt, wir müssen glauben. Das ist wahr, wir müssen es. Aber lasst uns weise sein und wissen, was wir zu glauben haben und was nicht.“
(Mary Ward)