Rheuma – was ist das überhaupt?
Im Frühling 2022 von Priv.-Doz. Dr. Peter Matzneller
„Rheuma“ oder „Rheumatismus“ – dieser Begriff wird gern verwendet, um allgemein Gelenks- und Gliederschmerzen zu beschreiben. Aber: ein bedeutender Anteil der Patienten, die zu einer rheumatologischen Visite zugewiesen werden, hat eigentlich gar kein „Rheuma“. Sie werden sich fragen: wie kann das sein? Hier der Versuch einer Erklärung.
Je nach Literaturquelle werden dem rheumatischen Formenkreis bis zu 400 einzelne Krankheitsbilder zugeordnet. Grob ist jedoch vor allem eine Unterscheidung wichtig: jene zwischen den sogenannten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und den degenerativen Gelenks- und Wirbelsäulenerkrankungen.
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen
Diese Krankheitsbilder, im medizinischen Sinn die „echten“ rheumatologischen Erkrankungen und daher die einzigen, die als „Rheuma“ bezeichnet werden sollen, sind meist durch eine Störung des Immunsystems bedingt. Aufgrund dieser Störung werden körpereigene Zellen oder Gewebe (z.B. die Innenauskleidung von Gelenken) fälschlicherweise als fremd erkannt und von den eigenen Abwehrzellen attackiert. Am Ort dieser Attacke entsteht eine Entzündung, im Fall von Gelenken wird diese Entzündung „Arthritis“ genannt. Eine solche Arthritis kommt bei vielen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen vor, die wichtigste entzündliche Gelenkserkrankung ist die rheumatoide Arthritis. Häufig können diese überschießenden Entzündungsreaktionen aber nicht nur den Bewegungsapparat mit seinen Gelenken und Muskeln betreffen, sondern auch auf lebenswichtige innere Organe wie Gehirn, Lunge, Herz und Nieren übergreifen. Diagnose und Behandlung dieser sogenannten Autoimmun-Erkrankungen sind oft komplex und stellen die eigentliche Kernkompetenz einer Rheumatologin/eines Rheumatologen dar. Die Behandlungsansätze fußen in der Regel allesamt auf dem Prinzip der Immunsuppression, d.h. der medikamentösen Unterdrückung der beschriebenen fehlerhaften Überreaktion des Immunsystems, und ermöglichen heutzutage in den meisten Fällen eine zufriedenstellende Kontrolle der Erkrankung. Eine Heilung, d.h. ein Verschwinden von Krankheitszeichen und -symptomen ohne die dauerhafte Einnahme von Medikamenten, ist jedoch nur in Ausnahmefällen möglich.
Arthrose
Im Gegensatz zu den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen entstehen degenerative Gelenks- und Wirbelsäulenerkrankungen nicht durch eine Autoimmunreaktion. Als Ursache dieser Gruppe von Krankheiten, die vereinfacht unter dem Begriff „Arthrose“ zusammengefasst werden können, wird ein Zusammenspiel von Alter, mechanischem Verschleiß des Bewegungsapparates, genetischen und Stoffwechsel-Faktoren angenommen. Diesen Prozessen hat die moderne Medizin trotz aller Fortschritte noch immer eher wenig entgegenzuhalten: das Behandlungskonzept basiert hier in erster Linie auf physikalischen Maßnahmen (allen voran: Wärmeanwendung), Physio- und Ergotherapie sowie auf einer konsequenten Schmerztherapie. In bestimmten Fällen können Nährstoffe für den meist in Mitleidenschaft gezogenen Gelenksknorpel als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen oder direkt ins Gelenk gespritzt werden. Bei sehr fortgeschrittener Arthrose können große Gelenke (v.a. Hüfte und Knie) durch eine Gelenksprothese ersetzt werden, um die Funktionsfähigkeit des Gelenks – und damit die Lebensqualität der Patientin/des Patienten – für potentiell viele weitere Jahre zu verlängern.
Unterschied zwischen Arthrose und Arthritis
Zur Veranschaulichung ein Beispiel: wenn wir an „Rheuma“ denken, haben viele von uns wohl das Bild der verbogenen und knotig aufgetriebenen Finger vor Augen. Gerade bei einem solchen Befund muss aber differenziert werden: Welche Fingergelenke sind „geschwollen“ und wie?
Sind es vor allem die letzten, kleinsten Gelenke zwischen Fingermittel- und -endglied, wie in Abb. 1? Handelt es sich um eine eher knöcherne Auftreibung, d.h. ist unmittelbar unter der Haut harter Knochen tastbar? Sind die Beschwerden am stärksten bei Belastung, d.h. während oder nachdem händische Tätigkeiten ausgeführt werden, aber in Ruhe kaum vorhanden?