Porträt einer Sportlerin
Laura Girardi - Rennradamateurin der Extraklasse
Laura Girardi, Jahrgang 1971, aus Meran gilt als eine der schnellsten Rennradamateurinnen Italiens in ihrer Altersklasse. Sie fährt für den ACM – Athletic Club Merano und ihre Bestzeiten von 8.22,15 beim Ötztaler Radmarathon (1. in ihrer Kategorie und 3. in der Gesamtwertung) sowie 10.57 bei der Tour d’Ortles (1. in der Gesamtwertung) lassen sie souverän an vielen männlichen Teilnehmern vorbeiziehen.
Am 26. August 2012 um 6.45 Uhr fiel in Sölden in Nordtirol der Startschuss für den 31. Ötztaler Radmarathon. Mit seinen 238 km Länge und 5.500 Höhenmetern gilt er als extrem schwierig und stellt eine Herausforderung für jeden Radsportbegeisterten dar. Laura Girardi war heuer zum achten Mal dabei. Den ersten 18 km langen Aufstieg mit bis zu 18 % Steigung auf das Kühtaijoch (2.020 m) hatte sie schon fast geschafft, als 100 Meter unter dem Gipfel ein anderer Teilnehmer ausrutschte und sie mit zu Boden riss. Zum Glück kam die Meranerin nur mit blauen Flecken und Abschürfungen davon – das Rennrad aber war kaputt und an ein Weiterfahren nicht mehr zu denken.
Meraner Stadtanzeiger: Laura, was denkt oder fühlt man in dem Moment?
Laura Girardi: Der Ötztaler Radmarathon ist für mich eines der härtesten aber auch schönsten Straßenrennen. Viele wirklich sehr gute Teilnehmerinnen kommen aus Südtirol, und die Konkurrenz ist deshalb sehr groß. Auch den stärksten Athletinnen verlangt diese Strecke alles ab und nur der, dem es gelingt, die Schmerzen besser zu verkraften, kommt am Ende ins Ziel. Ich fühlte mich heuer sehr gut auf das Rennen vorbereitet und wollte natürlich wieder ganz vorne mit dabei sein. Das Risiko, einen Unfall zu erleiden, ist immer da und ich versuche, diesem mit meiner Fahrweise entgegenzuwirken. Umso schmerzlicher ist es natürlich, wenn man Opfer eines Unfalles wird. Andererseits bin ich aber froh, dass alles glimpflich abgelaufen ist.
Stadtanzeiger:Wie und wann kamst du zum Radsport?
Laura Girardi: Ich kam relativ spät dazu. Das Ganze begann ganz „harmlos“ vor etwa 10 Jahren: Mein Partner Bernhard ist Triathlet und aus einer Laune heraus fing ich an, ihn auf seinen Radstrecken zu begleiten. Die Touren machten mir viel Spaß und so kam es, dass ich schneller wurde, … sogar schneller als er.
Stadtanzeiger: Da steckt sicher viel Training dahinter. Du führst einen Haushalt, bist Mutter von zwei Kindern und führst zusammen mit deinem Partner ein Fitnessstudio im Zillertal. Zudem pendelt ihr jedes Wochenende vom Zillertal nach Meran. Ist es nicht schwierig, all das mit dem Training zu verbinden?
Laura Girardi: Manchmal ist es schon kompliziert, alles unter einen Hut zu bringen. Sowohl mein Partner als auch ich möchten uns sportlich verwirklichen, was die Organisation des Trainings etwas aufwendig macht. Unsere Kinder stehen nämlich an erster Stelle und wir sind uns einig, dass entweder am Vormittag oder am Nachmittag die Freizeit gemeinsam mit ihnen als Familie verbracht wird.
Deshalb verwenden wir freitags die Fahrt vom Zillertal nach Meran gleichzeitig für das Training: ich fahre mit den Kindern im Auto auf den Brenner während Bernhard die Strecke radelt, dann wird getauscht und ich radle über den Jaufen nach Meran, während mein Partner mit den Kindern weiterfährt.
Viel Unterstützung erfahren wir von meinen Eltern, die in Bozen wohnen. Sie übernehmen die Kinder für einige Stunden, damit Bernhard und ich samstags auch gemeinsam trainieren können. Manchmal, wenn ich 5 bis 6 Stunden trainiere, fühle ich mich als Rabenmutter, auch wenn ich die Kinder gut aufgehoben weiß. Dann kämpfe ich innerlich mit mir selbst und denke, dass es besser wäre, mit dem Radsport aufzuhören. Auf der anderen Seite würde ich gerne an mehreren Wettkämpfen teilnehmen, aber da viele sonntags sind, verzichte ich darauf.
Stadtanzeiger: Wie wichtig ist Sport in deiner Familie?
Laura Girardi: Sport ist ein wichtiger Bestandteil in unserem Leben, auch für unsere Kinder (8 und 10 Jahre alt). Sie trainieren am Wochenende mit den Schwimmern von Bolzano Nuoto - Esordienti (Anwärter) und ihr Ziel ist es, die Mama zu überholen. Manchmal laufen sie auch mit mir und sind fast schon schneller.
Stadtanzeiger: Wie motivierst du dich?
Laura Girardi: Die Motivation ist so eine Sache, manchmal kommt sie von selbst, manchmal muss ich mich einfach zwingen, auf das Rad zu steigen, um die Motivation zu finden, und ab und zu würde ich am liebsten ganz zu Hause bleiben. Radsport ist für mich Liebe und Hass zugleich: Er zieht mich an und begeistert mich, aber bei wirklich schweren Strecken, wie beim Ötztaler Radmarathon oder bei der Tour d`Ortles, wenn der Gipfel noch weit ist, denke ich, es wäre einfacher gewesen, nur eine Runde in der Stadt zu fahren. Kaum habe ich aber den Gipfel erobert, schlägt es ins Gegenteil um: Ich fühle mich grandios und würde die Tour auf der Stelle wiederholen.